Das Herz des Loewen
sahen jemanden an der hinteren Mauer hinabklettern.“ „Comyn hat ihn entführt? Heilige Mutter Gottes! “ Schwankend setzte sie sich auf. „Wir müssen ihm folgen.“ Beruhigend nahm er sie wieder in die Arme. „Meine Männer bereiten gerade ihren Aufbruch vor. Du bleibst hier bei... “ „Nein, ich reite mit euch. Ich muss mich um Kieran kümmern. “
„Aber du bist verletzt - und völlig erschöpft.“
„Ich habe Siusan versprochen, für ihn zu sorgen. Und Comyn konnte ihn trotzdem stehlen.“
Stöhnend drückte er sie noch fester an sich. „Das ist meine Schuld. Hätte ich deiner Anklage geglaubt, wäre Siusan vielleicht noch am Leben - und Kieran in Sicherheit.“
„Oh Ross, ich wollte dir keine Vorwürfe machen.“
„Umso schwerere mache ich mir selber.“ Er ließ sie los und stand auf. „Nun werde ich dein Leben nicht auch noch aufs Spiel setzen. Du bleibst hier, in der Obhut deiner Tante. Brita, würdest du mir einen Mann zur Verfügung stellen, der sich in dieser Gegend auskennt und uns führen kann?“
„Ich reite mit“, beharrte Megan und wollte sich erheben. Diesmal wurde sie von ihrer Tante zurückgehalten, die neben ihr niederkniete. „Ich passe gut auf das Mädchen auf, Ross. Zwanzig meiner besten Männer werden dich begleiten
und dir beistehen, falls es zu einem Kampf kommt. Vermutlich flieht Comyn nach Shurr More, durch unwegsames Hochland.“
„Und wenn ich durch die Hölle gehen muss - ich werde ihn einholen, ehe er seinen Turm erreicht.“ Sobald er sich dort verschanzte, würden sie Kieran niemals befreien. Das wusste Megan ebenso gut wie Ross, auch wenn er es nicht aussprach. „Gib gut auf dich acht, Meggie“, bat er, bevor er das Zimmer verließ.
„Ich kann ihn nicht allein gehen lassen! “ Verzweifelt umklammerte sie den Arm ihrer Tante. „Irgendetwas Schreckliches wird geschehen, wenn er Comyn begegnet und ich nicht bei ihm bin. “
„Dein Ross gleicht meinem Dugan - stark, ehrenwert und viel zu stolz.“ Steifbeinig stand Brita auf. „Komm jetzt, wir haben eine Menge zu tun und nur mehr wenig Zeit, ehe dein Ritter losreitet, um den kleinen Kieran zu retten.“
Megan nickte, ließ die Beule an ihrem Kopf verarzten und zog Reisekleidung an, eine dicke Ledertunika und eine enge Hose aus kariertem Stoff.
„Diese Sachen trug ich in früheren Zeiten, da ich jünger und schlanker war“, erzählte Brita. „Genau das Richtige für deinen Ritt an Ross’ Seite.“
Die Hose war tatsächlich bequemer und praktischer als ein langes Gewand. Unter anderen Umständen hätte Megan ihre Bewegungsfreiheit genossen, aber an diesem grauenvollen Tag ... „Wo ist Siusan?“
„Meine Dienerinnen haben sie in einer Kammer aufgebahrt.“
Megan folgte ihrer Tante den Gang hinab in einen kleinen Raum. Zum ersten Mal seit einem Jahr sah Siusan glücklich und zufrieden aus. Sie trug das Kleid, das für ihre Hochzeit genäht worden war, aus dunkelrotem Samt, der das goldblonde Haar betonte und den Wangen einen rosigen Schimmer verlieh.
„Oh Siusan ...“
Tröstend legte Brita einen Arm um die Schultern ihrer Nichte. Wie gern hätte sich Megan im sicheren Hafen von Kilphedir verwöhnen lassen ... Doch sie hörte, dass Ross unten im Hof Befehle erteilte. Und Comyn flüchtete mit seiner Beute durch die Nacht.
„Morgen begrabe ich sie auf dem Berg, bei Dugan und unseren Kindern“, versprach die Tante. Tränen rollten über ihre runzligen Wangen.
Megan küsste sie und warf einen letzten Blick auf ihre Schwester. „Wie schmerzlich werde ich dich vermissen, Siusan ... Und ich schwöre bei deiner Seele, ich werde Kieran finden und ihn aufziehen, als wäre er mein eigenes Kind. “
Nach qualvollen Stunden fragte Megan sich, ob es nicht besser gewesen wäre, Ross’ Rat zu befolgen und bei ihrer Tante zu bleiben. Obwohl sie, von zwei kräftig gebauten Sutherlands flankiert, ritt, fühlte sie sich verletzlich wie ein Blatt im Wind.
In gnadenloser Geschwindigkeit sprengte die Vorhut der Sutherlands dahin, ohne Rücksicht auf die schmalen, steinigen Bergpfade. Längst war Megans Furcht vorm Reiten verflogen, verdrängt von den Schmerzen im Rücken, im kranken Bein.
Einmal hielten sie an, um die Pferde an einem rauschenden Bach trinken zu lassen. Auch Megan schlürfte begierig Wasser aus der hohlen Hand, die zu ihr heraufgehalten wurde. Dann aß sie einen Bissen Dörrfleisch. Das Angebot eines Begleiters, ihr vom Pferd zu helfen, lehnte sie ab, aus Angst, sie könnte
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