Das Herz des Loewen
Carmichael gemein hatte. Verständnislos starrte Lady Mary ihn an, und da merkte er, dass er französisch gesprochen hatte. „Verzeiht mir“, fuhr er auf gälisch fort, „ich ...“
„Oh, Ihr müsst Euch nicht entschuldigen. Ich bin im Tiefland geboren und habe als Kind die höfische Sprache gelernt. Aber ich fürchte, meine Französischkenntnisse sind etwas verkümmert, denn ich kann mich nur mit Megan und Chrissy darin üben.“
„Mistress Megan spricht französisch?“
„Ja, und sie liest auch französische Bücher. Dafür findet sie seit dem Unfall viel Zeit.“
Megan hatte einen Unfall erlitten? Nein, davon wollte er nichts wissen, kein Mitleid empfinden. „Bücher sind teuer und hier im Hochland sicher schwer zu beschaffen.“
„Nein, durch den Handel, den Lord Eammon betreibt, gelangen sehr viele zu uns.“
„Von diesen Geschäften hat Megan mir erzählt. Werden in Eurem Dorf auch beschädigte Bücher instand gesetzt?“
„Oh nein, das wäre eine Arbeit für Mönche, und hier gibt es kein Kloster. Und so lesen wir die Bücher, so wie sie sind -voller Wasserflecken und ein bisschen zerfleddert.“
Aus einem Schiffswrack an Land gespült ...
„Über diese Geschäfte weiß Megan viel besser Bescheid als ich“, fügte Lady Mary hinzu.
Darauf möchte ich wetten, dachte Ross.
„Ich kümmere mich um meinen Kräutergarten und versuche, die Halle in Ordnung zu halten, obwohl niemand meine Autorität unterstützt“, erklärte sie bitter. „Aber nun reden wir nicht mehr von meinen Problemen. Bitte, setzt Euch. Bald wird das warme Essen aufgetragen.“
Warum unterstützt Eammon ihre Autorität nicht, überlegte
Ross. Dann erinnerte er sich an Felis, die den Laird von seinen Pflichten ablenkte. Beinahe bedauerte Ross die arme Burgherrin. Er folgte ihr zum Podium. Halb hoffte, halb fürchtete er, Megan würde ihn am Tisch erwarten. Aber dort saß sie nicht. Wahrscheinlich lag sie noch im Bett, um sich von der ereignisreichen Nacht zu erholen. Er setzte sich auf den Stuhl, den Lady Mary ihm anbot, und dachte, Nigel würde zu seiner Linken Platz nehmen. Stattdessen ließ sich Seine Lordschaft am anderen Ende der Tafel nieder und tauchte seine Nase tief in einen Weinbecher.
Davey schenkte gewässerten Wein ein und bat: „Einen Augenblick! “ Schnell hob er den Becher an die eigenen Lippen.
„Davey! “ Ärgerlich versuchte Ross, ihm den Becher aus der Hand zu schlagen. Aber der Bursche sprang behände zur Seite und trank, dann wischte er sich die Lippen mit einer Leinenserviette ab.
„Eigentlich bezweifeln Owain und ich, dass man Euch in Lord Nigels Anwesenheit vergiften könnte, aber zur Sicherheit
Ross sah den Waliser mit den Carmichaels an einem Tisch nahe dem Podium sitzen und starrte ihn erbost an.
„Auf Eure Gesundheit!“, rief Owain in seiner Muttersprache.
„Die will ich nicht auf Kosten anderer genießen“, erwiderte Ross, ebenfalls auf walisisch. „Erklärt das meinen Leuten!“ Unter den wollenen Tuniken trugen die kampferprobten Ritter ihre Kettenhemden, Dolche steckten in den Stiefelschäften, Schwerter hingen an den Gürteln. Obwohl er die Notwendigkeit dieser Vorsichtsmaßnahmen erkannte, betonte er: „Ich wünsche keine überflüssigen Heldentaten.“
„Die werden wir nicht vollbringen“, versicherte Owain. „Aber ich muss Euch den Rücken decken. Dafür werde ich bezahlt. Außerdem drohte Lord Lionel, er würde mir bei lebendigem Leib die Haut abziehen und zum Trocknen in die Sonne legen, falls Euch etwas zustößt.“
Verächtlich runzelte Ross die Stirn, doch die Sorge des Vaters erwärmte sein Herz, und er hoffte, sie würden sich versöhnen, wenn Lions Mörder gefunden war. Er nahm den Becher entgegen, den Davey nachgefüllt hatte, setzte ihn an die Lippen und zuckte leicht zusammen, als ein stechender Schmerz durch seine Schulter fuhr.
„Soll ich nach Eurer Wunde sehen?“, erbot sich Davey.
„Nein.“
„Wieso wurdet Ihr verletzt?“, erkundigte sich Lord Nigel.
Widerstrebend schilderte Ross den nächtlichen Kampf im Dorf, ohne Megans Hilfe und seinen Verdacht zu erwähnen, die Angreifer wären von Bord des Schiffs gekommen, das die Diebesbeute in die Bucht befördert hatte.
„Oh, wie schrecklich! “, rief Lady Mary.
„Nachdem Euer Vater Curthill schon zweimal überfallen hat, war es sehr leichtsinnig von Euch, durch das nächtliche Dorf zu wandern“, meinte Lord Nigel. „Wahrscheinlich wollten sich die Familien seiner Opfer rächen.“
Ross
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