Das Herz des Loewen
während eines Hochamts, und plötzlich floss der Wein auf Eure Knie ...“
Wütend ballte er die Hände. Wie konnte sie sich nur über ihn lustig machen?
„Megan, lach deinen Verlobten nicht aus!“, mahnte Lady Mary.
Sobald Megan den Zorn in Ross’ Augen sah, verflog ihre Belustigung - ebenso die Hoffnung, die letzte Nacht erwacht
war. Würde sie jemals seine Liebe gewinnen?
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, denn nun betrat Archie die Halle-, in kostbare pfauenblaue Seide gewandet, den Kopf hochmütig erhoben. Voller Abscheu beobachtete sie den Hauptmann, den sie glühend beneidete, weil er ihrem Vater so nahe stand. Vor dem Podest angekommen, verkündete er: „Der Laird wird nicht herunterkommen, um mit Euch zu frühstücken. Er fühlt sich nicht wohl.“
Mitfühlend beobachtete Ross, wie Lady Mary den Kopf senkte.
Megan stieß erbost hervor: „Wird er sich wohl genug fühlen, um an meiner Hochzeit teilzunehmen?“
Ein gönnerhaftes Grinsen entblößte Archies gelbe Zähne. „Ich werde sehen, ob ich das in Erfahrung bringen kann.“ „Wenn ich gegessen habe, besuche ich Eammon und erkundige mich nach seinem Befinden.“ Comyn setzte sich nicht auf den Platz, den er zuvor eingenommen hatte, sondern er rückte einen Stuhl mit hoher Lehne an Ross’ linker Seite zurecht. Sofort sprang Megan auf. „Nein! Das ist Vaters Stuhl!“ Archie lächelte spöttisch. „Sicher hat der Laird nichts dagegen, wenn Comyn seinen Platz einnimmt.“
„Aber ich!“, fauchte Megan.
Comyns helle Augen verengten sich. „Die halbe Nacht bin ich geritten, und jetzt habe ich einen prächtigen Appetit.“ „Gut, dann iss, aber du kannst nicht auf Vaters Stuhl sitzen. Es würde bedeuten, dass du an seine Stelle treten willst.“ „Abergläubischer Unsinn!“, höhnte Comyn.
„Alte Traditionen“, entgegnete Megan. „Und als Seanachaidh des Clans Sutherland muss ich die Sitten und Gebräuche hüten.“
Verächtlich schnaufte Comyn, aber Ross spürte die Spannung, die in der Luft lag, sah die neugierigen Blicke ringsum und gab Megan recht. Wenn er auch, ebenso wie Comyn, wenig Wert auf alte Überlieferungen legte, diese Leute schienen daran zu glauben. Sogar Archie schaute unbehaglich drein. Wenn Comyn auf dem Stuhl des Lairds Platz nahm, würde er unmissverständlich seine Absichten bekunden.
Den Kopf hocherhoben, stand Megan da. Wie tapfer sie die Rechte ihres Vaters verteidigte ... Ross bewunderte ihre Haltung, obwohl er den Laird verachtete.
Trotz der weichen Binsenmatten hätte man eine Nadel fallen hören, während die Sutherlands den Ausgang des Disputs abwarteten. Schließlich schlug Archie vor: „Kommt, Mylord, ziehen wir uns in Lord Eammons Räume zurück. Sicher empfängt er Euch sehr gern. Erst heute Morgen hat er nach Euch gefragt. Er sagte, sobald ihr von Shurr More herüberreiten würdet, müsste er was mit Euch besprechen.“
Comyns Augen hielten Megans Blick noch für eine kleine Weile fest, an seinem Kinn zuckte ein Muskel. Dann wandte er sich ab und verließ mit Archie die Halle. Alle Anwesenden schienen aufzuatmen, neue Gespräche wurden angeknüpft.
„Ein weiblicher Barde! “, höhnte Lord Nigel. Fett triefte von seinem Doppelkinn. „Eigensinn und Aufsässigkeit - das hat man davon, wenn man Frauen das Gefühl gibt, sie könnten mehr zustande bringen, als zu kochen und Kinder zu gebären. Hoffentlich werdet Ihr Eurer Braut zeigen, wer der Herr im Hause ist.“
„Glücklicherweise wurde ich dazu erzogen, meinen eigenen Wert zu erkennen“, bemerkte Megan und wandte sich zu Ross. „Tut mir leid wegen des Fisches - und des Weines. Soll ich Haferbrei oder kalten Braten bringen lassen?“
Abrupt stand er auf. „Danke, mir reicht’s.“ Offensichtlich hatte er nicht vom Frühmahl genug, sondern von ihrer Gesellschaft.
„Wollen wir uns dort drüben in die Fensternische setzen?“, schlug sie hastig vor. „Dort wären wir ungestört.“
„Nein.“
„Aber ich muss Euch etwas sagen.“.
„Ich interessiere mich nur für den Mord an meinem Bruder und das Versteck deiner Schwester.“ Kühl und unnachgiebig starrte er sie an, und sie holte tief Luft.
„Also gut, ich werde alle deine Fragen beantworten.“ Sofern ich kein Menschenleben gefährde, ergänzte sie in Gedanken.
Die Burg Curthill erhob sich auf einem Felsen hoch über der rastlos schäumenden See. Die Schutzwälle hätten dringend einer Erneuerung bedurft und zeigten die Spuren zahlreicher
Schlachten, darunter auch die
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