Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)
wieder zurückgehen, hat sie gesagt. Ich will nicht wieder zu Pétur zurück. Er ist kein schlechter Mensch, hat sie gesagt, aber lieber sterbe ich, als zu ihm zurückzugehen.
Und da hat Helga eingeworfen, dass Bjarni ein sympathischer Mann sei.
Nein, das könnte ich nicht, hat Andrea geantwortet, als sie begriff, was Helga sagen wollte.
Unser Leben gestaltet sich nach dem, was wir wollen, hat Helga darauf erklärt. Und was der Mensch will, das kann er auch.
Darum wurde Bjarni geholt.
Mit mir kommen? Er wiederholt es entgeistert, hat sich am Tischende niedergelassen, so weit wie möglich von Helga und Geirþrúður entfernt, und guckt die Frauen fragend, verwirrt, misstrauisch, aber auch schlichtweg erschrocken an.
Dürfen wir dir einen Kaffee anbieten?, fragt Geirþrúður liebenswürdig. Das Zigarillo ist weit heruntergebrannt.
Ja, bitte, sagt Bjarni schnell, denn eine Tasse Kaffee lässt sich so viel leichter annehmen als eine Frau.
Geirþrúður erhebt sich und holt eine Kaffeetasse für den kleinen Kätner, der keine Ahnung hat, wie selten es geschieht, dass man eine Tasse Kaffee aus der Hand dieser Frau bekommt.
Der Junge hält sich kurz die Hand vor die Augen, als müsste er sich besinnen oder das Gleichgewicht wiederfinden, die Erde schwankte nämlich unter ihm, als er Helga sagen hörte, dass Andrea sich überlegt habe, mit Bjarni zu fahren, und ob ihm die Idee nicht gefallen würde.
Bjarni hat den Mund aufgeklappt, aber es ist keine Antwort gekommen.
Du hast vier mutterlose Kinder zu Hause, sagt Helga, deine Mutter ist ans Bett gefesselt, der Sommer kommt mit viel Arbeit, ihr wohnt weit draußen, und es ist nicht leicht, für einen so entlegenen Hof ordentliche Erntehelfer zu bekommen. Allein bewältigst du das alles nicht lange, und so bleibt dir nur die Wahl, ein, zwei Kinder wegzugeben oder Andrea zu dir zu nehmen. Etwas Besseres wird sich dir im Leben nicht mehr bieten. – So grausam wirst du doch nicht sein, setzt sie nach, als von Bjarni keine Antwort kommt. Er sitzt nur da, die Hände liegen nutzlos auf dem Tisch, die Tasse ist leer.
Oder so dumm, ergänzt Geirþrúður mit dem Anflug eines Lächelns, als machte sie Spaß, und gießt dem Bauern Kaffee nach.
Da erwachen seine Hände zum Leben, die eine darf die Tasse heben, die andere kann ihr folgen. Der Junge sieht Andrea an, ihre Blicke begegnen sich, und es ist gut.
Endlich sagt Bjarni etwas, denn zuweilen ist man gezwungen, etwas zu sagen. Meine älteste Tochter, sagt er recht fest, findet es aber sicherer, seine Tasse dabei anzuschauen, wird bald dreizehn.
Dann trinkt er den Kaffee. Richtiger gesagt, er will trinken, aber die Tasse ist schon wieder leer, und es ist etwas dermaßen Albernes, eine leere Tasse zum Mund zu führen, dass er verwirrt hinzufügt: Sie heißt Þóra. Aber das habe ich bestimmt schon erwähnt. Sie ist tüchtig, ringt er sich zuletzt noch wie zur Erklärung ab, als niemand etwas sagt und ihn alle bloß ansehen.
Trotzdem ist sie noch ein Kind, stellt Helga fest, und man sollte ihr nicht zu viel zumuten, sie hat schon genug durchgemacht, wie ihr alle. Das Leben ist schon hart genug, auch wenn man ihr nicht noch mehr abverlangt.
Weint sie denn nicht nachts?, erkundigt sich Geirþrúður unerwartet, und Bjarni schlägt die Augen nieder, seine beiden nutzlosen Arme ruhen auf dem vornehmen Tisch, denn wie tröstet man ein Mädchen, das bald dreizehn wird, aber ins Kissen weint, wenn es glaubt, dass niemand es hört? Doch er hört es und möchte etwas tun, bleibt aber liegen und steht nicht auf.
Ich bin Schwierigkeiten gewöhnt, sagt Andrea. Und ich bin auch Arbeiten gewöhnt. Ich kann mit Kindern umgehen, obwohl ich selbst keine habe, aber das liegt in Gottes Hand, nicht in meiner.
Während sie spricht, kann Bjarni sich erlauben, sie offen anzusehen. Es sind zwar nur drei Sätze, zwei davon ganz kurz, aber sie spricht langsam, sieht ihm dabei die ganze Zeit in die Augen, und er blickt zurück. Sie hat einen hübschen Zug um die Augen, denkt Bjarni unwillkürlich, und um den Mund ist keine Verbitterung zu entdecken.
Mehr Kaffee?, fragt Geirþrúður aufmerksam in ihrer neuen Rolle.
Nein danke, murmelt der Bauer und kann sich kaum erinnern, schon jemals dieses schwarze Getränk abgelehnt zu haben.
Gib ihm einen Whisky, weist Geirþrúður den Jungen an und fällt aus ihrer Rolle.
Bjarni trinkt nicht.
Ist er so ein Langweiler?, fragt Geirþrúður, als wäre der Bauer gar nicht im Raum.
Nein, erwidert der
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