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Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz des Menschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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Elías im Haus lachen hören wie eine fröhliche Dunkelheit. Er hat den Brief gelesen, zwei eng beschriebene Blätter.
    Sie begegnen keinem gelben Kleid, keinen Lippen, heiß und feucht von Leben, die seinen Namen sagen. Zum Glück! Sie hätte nämlich laut rufen müssen, dermaßen abwesend ist der Junge, der Bjarni lange ansieht, weil sie angehalten haben und Bjarni etwas von Briefbögen faselt.
    Zehn, sagt er.
    Nein, nur zwei, sagt der Junge.
    Ach was, zehn habe ich gekauft, beharrt Bjarni und wundert sich.
    Da kapiert der Junge endlich, zehn Bögen, vier Bleistifte, vier Kinder jenseits der Berge in einer kleinen Bucht, dahinter das Eismeer.
    Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken woanders.
    Das sehe ich.
    Ich habe nämlich den Brief gelesen.
    Dachte ich mir.
    Hast du von ihm gewusst?
    Wovon?
    Von dem Brief.
    Ich habe ihn dir doch gegeben.
    Ja, natürlich, sagt der Junge, erinnert sich, lacht, hat wieder den Männerschweiß auf dem Umschlag in der Nase, der von schwerer körperlicher Arbeit kommt und so ganz anders riecht als Angstschweiß oder der Schweiß der Lust.
    Sie ist … außergewöhnlich, sagt Bjarni.
    Der Junge: Wer?
    Bjarni: Álfheiður.
    Der Junge: Ja. Der Brief war von ihr.
    Das weiß ich, sagt Bjarni so geduldig, als würde er mit einem Kind reden.
    Ist sie außergewöhnlich?
    Ja.
    Glaubst du, das ist schlecht?
    Ich denke, das hängt von verschiedenen Dingen ab.
    Welchen zum Beispiel?, fragt der Junge, und Bjarni denkt nach. Sie stehen still. Jetzt ist es Bjarni, der sich den Hals verrenkt, Frauen eilen an ihnen vorbei, gucken die beiden Männer befremdet an, die mit einer schweren Trage zwischen sich vollkommen reglos und ohne sichtbaren Anlass mitten auf der Straße stehen.
    Bjarni: Ich nehme an, in diesem Land ist es schlecht, außergewöhnlich zu sein. Dafür wird man bestraft.
    Der Junge: Ja, ich weiß, man vergisst seinen Anorak und erfriert. Aber es war richtig von dir, das Papier zu kaufen.
    Bjarni: Ja, genauso unvernünftig.
    Der Junge: Ich glaube, dass bloß dieses verdammte Leben unvernünftig ist.
    Bjarni: Hm. Tja, es ist sicher manchmal bedenklich, die Vernunft zu hoch zu halten, sie kann auch vieles kaputt machen.
    Jemand sollte dich küssen, sagt der Junge.
    Das glaube ich kaum, meint Bjarni.
    Dann gehen sie weiter. Ein gelbes Kleid, schwarze Stiefel, weich, aber passend, selbstsichere Bewegungen, nein, nirgends zu sehen. Hier aber eine Frage: Was ist Friðriks Reich, und was bedeutet schon ein gelbes Kleid im Vergleich damit, Post vom Eismeer zu bekommen?
    Ich habe eine Todesangst vor dem Meer hier, es will mich auffressen. Mich verschlucken und in einen kalten Fisch verwandeln. Ich habe Erinnerungen, die kalte Fische sind, sie schwimmen mir manchmal durch die Adern, und dann wird mir kalt. Hast Du auch solche Erinnerungen? Die Kinder hier haben ihren Spaß daran, mich mit dem Meer zu hänseln. Sollen sie, gut, wenn meine Angst ihnen hilft. Jetzt sind meine Salvör und ich also hier, wo Du warst, bevor Du nahe beim Haus des Arztpaars in Ohnmacht gefallen bist. Du und dieser große Mann. Glaubst Du, er hat sanfte Hände? Oder glaubst Du, sie können gemein sein und wehtun? Sind Deine Hände etwa grob? Nicht dass es mich etwas anginge. Du sollst Dir nichts darauf einbilden, dass ich ab und zu an Dich denke. Du hast ja keine Ahnung, wie und woran ich sonst denke. Wie viel Kraft hast Du? Nicht in den Händen, sondern in Dir? Die Leute glauben, es sei leicht zu sehen, wer Kraft hat und wer nicht. Die Leute sind dumm. Du weißt, dass das Leben schwerer sein kann als Berge. Es kann gefährlicher sein als das Eismeer und viel wütender als ein Eisbär. Du weißt nicht, dass ich kaum mehr bin als Elend, nichts als rotes Haar und Armut. Du bist ein Idiot, wenn Du an mich denkst. Tust Du das?
    Sie gehen gleich zum Boot, ohne am Haus anzuhalten, verstauen die Einkäufe und planen sie gut ab, denn die Fahrt geht über offenes Meer, und die Sachen dürfen nicht nass werden.
    Du kannst das Segel benutzen, sagt der Junge angesichts des Windes, und Bjarni richtet sich auf; der Himmel wölbt sich blau über der Welt, und es liegt etwas im Blick des Bauern. Er reicht dem Jungen die Hand.
    Danke für alles!
    Ich hätte gern mehr getan, entgegnet der Junge.
    Du hast einiges getan, ich nehme zehn Bögen Papier mit.
    Willst du nicht vorher noch kurz ins Haus kommen?
    Ich habe schon genug Zeit verloren, sagt der Bauer und will ins Boot steigen.
    Warte noch, sagt der Junge, der gerade Ólafía kommen

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