Das Herz des Mörders (17) - Imitation in Death (Death 17)
schuf.
»Wahrscheinlich hat er auch sein Werkzeug abgewischt, die Hände aber ganz bestimmt. Dann hat er den Brief hervorgezogen und ihr ordentlich auf die Brust gelegt. Außerdem muss er das Hemd gewechselt oder eine
Jacke drübergezogen haben, damit man das Blut nicht sieht. Und dann?«
Peabody blinzelte verwirrt. »Ah, dann ist er gegangen. Seine Arbeit war erledigt, und er hat sich auf den Heimweg gemacht.«
»Wie?«
»Hm, wenn er in der Nähe wohnt, wahrscheinlich zu Fuß.« Sie atmete tief durch und versuchte statt mit ihren eigenen Augen mit denen ihres Lieutenants oder besser noch des Killers selbst zu sehen. »Er ist derart euphorisch, dass er sich keine Gedanken wegen eines möglichen Überfalles macht. Wenn er nicht in der Nähe wohnt, ist er wahrscheinlich mit seinem eigenen Wagen da, denn selbst wenn er sich umgezogen oder eine Jacke übergeworfen hat, klebt noch immer so viel Blut an ihm, dass man es sicher riecht. Taxi oder U-Bahn wären deshalb einfach zu riskant.«
»Gut. Wir werden überprüfen, ob vielleicht ein Taxi einen Verdächtigen dort in der Gegend aufgelesen hat, aber dabei kommt wahrscheinlich nichts heraus. Jetzt versiegeln wir die Wohnung und hören uns erst mal bei den Nachbarn um.«
Wie in einem solchen Haus nicht anders zu erwarten, hatten die netten Nachbarn nichts gesehen und nichts gehört.
Der Vermieter hatte sein Büro in Chinatown zwischen einer auf Entenfüße spezialisierten Schlachterei und einem Laden für alternative Medizin, der einem Gesundheit, Wohlbefinden und spirituelle Ausgeglichenheit oder das Geld zurück versprach.
Eve kannte Typen wie Piers Chan. Er war ein hemdsärmliger
Kerl mit dicken Oberarmen und einem bleistiftdünnen Schnurrbart über einem ebenso schmalen Mund, der trotz der bescheidenen Umgebung einen Ring mit einem dicken Diamanten am kleinen Finger trug.
Der gemischtrassige Mann hatte gerade genug vom Asiaten an sich, dass er seinen Laden in dem geschäftigen Chinatown hatte einrichten können, doch der Letzte seiner Vorfahren, der Peking noch gesehen hatte, hatte seine besten Jahre wahrscheinlich während des Boxeraufstandes gehabt.
Während er beruflich über einen Teil der Slums der Lower East Side herrschte, lebte er privat mit seiner Familie sicher in irgendeinem schicken Vorort in New Jersey, stellte Eve verächtlich fest.
»Wooton, Wooton.« Während sich zwei von seinen Angestellten stumm im Hintergrund beschäftigten, blätterte Chan die Mieterliste durch. »Ja, sie hat eins der De-luxe-Apartments in der Doyers.«
»De luxe?«, wiederholte Eve mit ungläubiger Stimme. »Wodurch, bitte, wird dieses Loch de luxe?«
»Es hat eine Küchenzeile mit eingebautem Kühlschrank und integriertem AutoChef. Alles inklusive. Allerdings ist sie mit der Miete wieder mal im Rückstand. Die Zahlung war bereits vor über einer Woche fällig. Sie hat vor ein paar Tagen den Standarderinnerungsanruf von mir bekommen. Heute rufe ich sie noch mal an, und wenn dann nichts passiert, flattert ihr nächste Woche automatisch die Kündigung ins Haus.«
»Das wird nicht mehr nötig sein, weil sie nämlich heute früh ins Leichenschauhaus umgezogen ist. Sie wurde letzte Nacht ermordet.«
»Ermordet.« Sein Stirnrunzeln drückte wahrscheinlich eher Verärgerung als Mitgefühl oder Entsetzen aus. »Gottverdammt. Heißt das, dass die Wohnung jetzt versiegelt ist?«
Eve legte ihren Kopf ein wenig schräg. »Weshalb wollen Sie das wissen?«
»Hören Sie, mir gehören sechs Gebäude mit insgesamt zweiundsiebzig Apartments. Wenn man so viele Mieter hat, kratzt immer wieder einmal einer davon ab. Es gibt ganz normale Todesfälle, verdächtige Todesfälle, Unfälle, Selbstmord und eben auch Mord«, zählte er die Möglichkeiten an seinen fetten Fingern ab. »In einem Mordfall kommt eben ihr Bullen, versiegelt die Wohnung und verständigt die nächsten Angehörigen. Bevor ich auch nur blinzeln kann, kommt irgendein Onkel oder so und räumt die Bude aus, ehe ich zum Ausgleich für die noch ausstehende Miete irgendetwas sicherstellen kann.«
Jetzt spreizte er die Hände und bedachte Eve mit einem unglücklichen Blick. »Aber von irgendetwas muss ich schließlich leben.«
»Das musste sie auch, und während sie versucht hat, etwas zu verdienen, wurde sie von jemandem aufgeschlitzt.«
Er blies die Backen auf. »Wenn man einen solchen Job hat, muss man eben manchmal ein paar Kröten schlucken.«
»Ihr Mitgefühl ist einfach überwältigend. Vielleicht bleiben wir
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