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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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Kaum bemerkte sie die Träne, die die Wange ihrer Großmutter herunterrollte; sie selbst weinte nicht. Mit stiller Würde verließ sie die Menschen auf der Veranda und zog sich in ihr Zimmer zurück.
    In den folgenden Tagen sprach sie fast überhaupt nicht. Cleo nötigte sie, etwas zu essen, und hielt immer eine Tasse Tee für sie bereit. Dr. Benet empfahl ihr mehrere Gläser Wein vor dem Zubettgehen, aber selbst das hielt Josie nicht davon ab, nachts durch das dunkle Haus zu geistern.
    Sie erfüllte ihre Pflichten, saß bei ihrer Großmutter und holte sich – mit Cleos Hilfe – Rat bei ihr, was die Anordnungen für Monsieur LeBrec anging. Ansonsten hätte sie ebenso gut ein Gespenst sein können.
    Ihr Tagebuch lag unberührt. Sie vermied es, mit Cleo irgendetwas zu besprechen, was persönlicher gewesen wäre als die Frage, ob man zum Abendessen ein Huhn schlachten sollte. Ihre Kleider wurden immer weiter, ihr Gesicht war bleich, und ihre Augen lagen tief und geheimnisvoll in ihren Höhlen.
    Josies gesamte Weltsicht hatte sich auf einen Schlag verändert. Ihre Tanten tratschten seit jeher mit großem Genuss über untreue Männer und Frauen, und Josie hatte die Sünden ihres Vaters mit Bibi nicht vergessen. Er hatte ein Verhältnis mit ihr gehabt, obwohl er noch mit ihrer Mutter schlief. Aber selbst die Betrogene zu sein, damit hatte sie nie gerechnet. Niemals hatte sie etwas anderes erwartet als Freude, Glück und Erfüllung mit einem Mann, der sie liebte und begehrte. Hatte er sie überhaupt geliebt? Oder hatte er nur vorgehabt, Toulouse in seine eigene Plantage einzugliedern, um seinen Grundbesitz zu verdoppeln?
    Sie durchlebte jeden Augenblick noch einmal, den sie miteinander verbracht hatten, seit der Blitz damals in den Baum vor ihrem Fenster eingeschlagen hatte. Jetzt erinnerte sie sich auch, wie er im Licht des brennenden Baums sie und Cleo angesehen hatte, zwei Mädchen in ihren Nachthemden. Sie hätte damals schon begreifen müssen, dass sich ein echter Gentleman einen solchen Blick niemals erlaubt hätte.
    Und doch war sie immer sicher gewesen, dass sie seine Gefühle kannte, immer wenn er sie berührt hatte, wenn er sie geküsst hatte. Überall sah sie die Farbe seiner Augen: in dem Brandy, den Dr. Benet am Abend trank, im Tee in ihrer Tasse, im glänzend polierten Mahagoni des Esstischs. Sein Lachen schien mit der Brise vom Fluss her zu ihr zu dringen. Das Kleid, das sie getragen hatte, als sie ihn zuletzt getroffen hatte, duftete noch ganz schwach nach seiner Zigarre.
    Wie viele Atemzüge würde sie tun müssen, wie viele Herzschläge ertragen, bis der Schmerz endlich nachließ? Lange, einsame Jahre dehnten sich vor ihr aus. Sie sah ihre Zukunft vor sich, als verschrumpelte, vertrocknete, unfruchtbare alte Frau. Ein Leben, zu lang, um es zu ertragen.

31
    »Die zwei Jungen sind sowieso nicht viel nütze«, sagte Le-Brec, »aber ich dachte mir, Sie wollen vielleicht wissen, dass wir eine Krankheit in den Unterkünften haben.«
    »Wessen Kinder sind krank?«, fragte Josie.
    LeBrec grinste. »Da draußen laufen wirklich zu viele von diesen kleinen Bastarden rum, als dass ich mir merken könnte, wer zu wem gehört. Entschuldigung, Mademoiselle.«
    Josie wurde allmählich wütend. »Mr Gale, Ihr Vorgänger, kannte jeden einzelnen Menschen auf dieser Plantage, und er konnte auseinanderhalten, welches Kind zu wem gehörte, Monsieur. Wenn Sie diese Plantage so erfolgreich führen wollen wie er, dann sollten Sie versuchen, es ihm gleichzutun.«
    Das Lächeln auf LeBrecs Lippen war immer noch zu sehen, aber seine Augen wurden schmaler. Josie vermutete, dass er damit gerechnet hatte, ein leichteres Spiel zu haben, nun, da Grand-mère krank war, aber er musste erkennen, dass er sich geirrt hatte.
    Seit der Brief von Bertrand gekommen war, waren die Treffen mit LeBrec für Josie die einzigen Augenblicke, in denen sie etwas lebhafter wurde. Nachdem ihre Träume von Liebe und Ehe so jäh zerbrochen waren, schloss sie ihr Innenleben in einer bitteren, harten Schale ein. Sie verbrachte die Tage allein, auch wenn immer viele Menschen um sie herum waren. Sie saß bei ihrer Großmutter, sprach mit Cleo über die Pflege der alten Dame, mit Louella über die Speisenfolge, aber sie bemerkte kaum, dass das Zuckerrohr auf den Feldern weiterwuchs, dass das Leben um sie herum weiterging.
    LeBrec jedoch zwang sie, sich um die Plantage zu kümmern. Er war ihr von Herzen zuwider, auch wenn er sich wacker hielt, das musste sie ihm

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