Das Herz des Südens
und ließ sie weinen.
Als die Sonne unterging, saß er immer noch bei ihr. Louella kam mit einem Krug Wasser hereingeschlichen, kühl und frisch von der Zisterne. Sie stellte auch einen Teller mit Weintrauben auf den Tisch, vielleicht würde Josie ja doch etwas zu sich nehmen. John ging, um zu Abend zu essen, und Louella blieb an Josies Bett sitzen.
Als Josie eingeschlummert war, entspannte sich Louella ein wenig in dem Sessel, den sie sich herangezogen hatte, aber dann begann Mademoiselle im Schlaf zu stöhnen und zu weinen. Louella weckte sie, und Josie schluchzte wieder, als würde ihr Unglück nie ein Ende finden.
»Na, na«, sagte Louella. »Jetzt muss aber mal Schluss sein. Wenn du so viel weinst, wirst du noch krank.«
»Ich habe etwas Schreckliches getan, Louella. Etwas ganz Entsetzliches. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Louella, sag das Cleo, ja? Sag ihr, ich war vollkommen außer mir und wusste nicht, was ich tat.«
In der Nacht bekam Josie Fieber. Louella rieb ihr immer wieder das Gesicht ab und versuchte, sie zum Trinken zu bewegen, aber Josie wusste kaum, wo sie war. Sie verdrehte ihr Bettzeug und schrie im Schlaf. »Vergib mir«, sagte sie immer wieder.
Gegen Mittag am nächsten Tag begann sie zu schwitzen, und dann fiel sie in tiefen Schlaf. Louella sorgte dafür, dass im Haus Ruhe herrschte, und blieb den ganzen Nachmittag an ihrem Bett sitzen. Als Josie bei Sonnenuntergang wach wurde, wusch Louella ihr Gesicht und Hals und half ihr, ein frisches Nachthemd anzuziehen. Sie öffnete die Fensterläden, damit der Abendwind hereinkam, und gab Josie ein Glas Wein.
»Trink das, Mamsell, vielleicht bekommst du dann ein bisschen Appetit.«
»Danke, Louella.« Josie fühlte sich schwach und niedergeschlagen. Sie hatte all ihren Schmerz herausgeweint; was jetzt noch blieb, war Reue. Und der Wunsch, alles wieder in Ordnung zu bringen.
»Wo ist Cleo. Kannst du sie holen?«
Louella beschäftigte sich mit den feuchten Laken. »Vielleicht wenn du etwas gegessen hast, Kind.«
»Ich esse ja, Louella, aber bitte, bitte, bring Cleo zu mir. Bitte!« Schon wieder stiegen Josie die Tränen in die Augen. Louella nahm ihre Hand.
»Es ist noch nicht zu Ende, Kind«, sagte sie. »Du musst jetzt wirklich stark sein.«
Josie starrte in Louellas freundliche alte Augen. »Was ist denn?«, fragte sie flüsternd. Ihr wurde ganz kalt und eng um die Brust. Sie kannte die Antwort, bevor Louella sie aussprach.
»Cleo ist weggegangen. Sie hat ihr Baby genommen und ist gegangen.«
Noch ein Fetzen Hoffnung. »Nach Cherleu?«
»Nein, da ist John schon gewesen. Sie ist wirklich fort.«
34
New Orleans
Kein einziges Mal in den zwei Tagen, die sie für den Weg nach New Orleans brauchte, wurde Cleo angesprochen und gefragt, wohin sie gehörte, wohin sie ging oder ob sie einen Passierschein ihres Besitzers vorweisen konnte. In ihrer Tasche hatte sie ein paar Münzen, die sie aus Madames bunt bemalter Blechdose im Schreibtisch genommen hatte, genug, um ihre Schiffspassage auf einem Frachtkahn zu bezahlen und sich unterwegs ein wenig Proviant zu kaufen. Ansonsten hatte sie nur die Kleider bei sich, die sie am Leibe trug, und einen Beutel mit Windeln für den kleinen Gabriel.
In New Orleans angekommen, fragte sie sich zur Rue Boucher durch, wo sie wusste, dass Phanor und Remy gewohnt hatten. Sie ging durch die schmutzigen Straßen, achtete auf jeden ihrer Schritte, während die Sonne herauskam und die Hitze die Gerüche von Hundehaufen, Pferdeäpfeln, Müll und dem halb verwesten Kadaver einer Katze mischte. Als sie in die Gasse mit den Metzgerläden kam, bedeckte sie die Nase ihres Babys mit dem Schal.
Sie hatte keine Ahnung, über welchem dieser Läden Phanor wohnte. Als sie einen freundlich aussehenden Mann fragte, ob er Phanor DeBlieux kannte, warf er zuerst einen Blick auf die helle Haut des Kindes und zog sich dann abrupt zurück. »Du solltest wohl besser machen, dass du hier wegkommst, Mädchen.«
Cleo wusste, was er dachte. Er vermutete, dass sie den Vater ihres Kindes suchte, einen Weißen, der sie sich selbst überlassen hatte. Vermutlich würden alle weißen Männer hier genau das denken. So machte sie einen Versuch mit einer schwarzen Frau, die vor ihrem Gumbostand Mais von den Kolben pulte.
»Na klar kenn ich den«, grinste die Frau und zeigte eine riesige Zahnlücke im Oberkiefer. »Ein gut aussehender Kerl ist das, und manchmal kommt er an meinen Stand und isst eine Schüssel Gumbo. Da drüben,
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