Das Herz des Südens
auf das einladende Bett, bevor er ein schiefes Lächeln zustande brachte. »Du störst mich nicht, wenn ich dich nicht störe.«
Cleo lachte. »Kann Gabriel in der Kiste schlafen?«
»Sicher.« Phanor nahm ein paar Bücher und seinen besten Hut aus der Kiste, polsterte sie mit einigen seiner Hemden aus und zeigte Cleo das Kinderbett. Sie legte Gabriel vorsichtig hinein, damit er nicht wieder aufwachte und vor Hunger schrie.
Dann stiegen sie ins Bett und sortierten ihre Ellbogen und Knie so, dass sie einander möglichst wenig störten. Nicht lange nach dem ersten Hahnenschrei, als der Metzger unten seinen Laden öffnete, zog sich Phanor leise an und ließ seine beiden Gäste schlafend zurück.
Irgendwann am Vormittag bereitete sich Cleo aus der verbleibenden Wurst ein Frühstück und beobachtete dann vom Fenster aus die Straße. Die Menschen schienen so beschäftigt, und die meisten gingen einfach aneinander vorbei, ohne den anderen zu beachten. Eine Stadt der Fremden, dachte sie. Wenn Josie die Sklavenjäger losgeschickt hatte, um nach ihr zu suchen, würden sie Schwierigkeiten haben, sie hier zu finden.
Um die Mittagszeit kam Phanor zurück und brachte eine Matratze mit, die er auf seinem Rücken trug. Er warf sie auf den Boden, ohne Cleo anzusehen.
»Hab ich dich letzte Nacht mit dem Ellbogen gestoßen, dir die Decke weggezogen oder gar geschnarcht?«, neckte sie ihn.
»Alles zusammen«, gab er zurück, aber dann lächelte er verlegen. »Nein, weißt du, Cleo, wir sind gute Freunde, und ich möchte, dass das so bleibt.«
»Danke«, sagte sie, jetzt wieder ernst. »Danke für alles.«
»Komm, wir gehen Gumbo essen.«
Cleo klaubte ihre letzten Münzen aus der Tasche. »Aber ich bezahle«, sagte sie.
Phanor schüttelte den Kopf. »Behalt bloß dein Geld, ich verdiene weiß Gott genug, um dich und Gabriel ein Weilchen mit durchzufüttern.« Er sah sich um, weil ihm plötzlich bewusst wurde, dass sein armseliges Zimmer seine Rede wenig glaubwürdig machte. »Ich bin nur noch nicht dazu gekommen, umzuziehen.«
Die Frau, die Cleo den Weg gezeigt hatte, begrüßte sie mit einem breiten, zahnlückigen Lächeln. »Was für ein hübsches Mädchen und was für ein gut aussehender junger Mann. Wollt ihr was von meinem Gumbo?«
»Zwei Schüsseln, Madame Flora«, antwortete Phanor für sie beide. »Und einmal Maisbrot.«
Sie zogen sich aus dem Gedränge in der Gasse auf eine Bank hinter Floras Stand zurück, aßen Gumbo mit Okra, Mais, Shrimps und Reis und wischten am Ende ihre Schüsseln mit dem letzten Stück Maisbrot sauber.
Cleo beobachtete, wie Flora von der Kochstelle zum Wassereimer eilte, während sie gleichzeitig Kunden bediente und laut ihre Ware anpries. »Hey, Mister, kommen Sie zu mir und holen sich eine Schüssel Gumbo. Ich weiß doch, dass Sie Hunger haben. Riecht das nicht lecker? Gumbo!!«
»Flora?«, sprach Cleo sie an.
»Was denn, Kindchen?«
»Könnten Sie nicht ein bisschen Hilfe gebrauchen? Ich könnte für Sie den Abwasch übernehmen, den Mais schneiden …«
Flora lachte tief aus dem Bauch heraus. »Ach, Schätzchen, ich komme doch kaum selbst über die Runden. Nein, um diese Jahreszeit ist es schwierig, Arbeit zu finden.« Sie wischte sich mit einem schmutzigen grauen Tuch den Schweiß von der Stirn. »Die ganzen feinen Leute, die Mädchen anstellen, sind weg, solange die Fiebersaison anhält. In ein paar Wochen, wenn es wieder kühler wird, sind sie alle wieder da, und dann suchen sie Küchenhilfen, Hausmädchen und so was. Ansonsten weiß ich nur, dass sie auf den Fieberstationen im Krankenhaus jede Menge Arbeit haben. Die suchen immer nach Krankenschwestern.«
»Nein«, mischte sich Phanor ein. »Das ist zu gefährlich, Cleo. Wir werden was anderes für dich finden, und ich habe dir ja schon gesagt, es hat keine Eile.«
Cleo antwortete nicht. Sie wusste Phanors Großzügigkeit wohl zu schätzen, aber sie wollte doch selbst vorankommen.
Phanor begleitete Cleo mit dem Baby zurück in sein Zimmer. »Ich muss heute Abend noch jemanden besuchen, Cleo, ich werde versuchen, dich nicht zu wecken, wenn ich heimkomme.«
Am nächsten Morgen, nach einem Frühstück aus Muskattrauben und kaltem Maisbrei, zog sich Phanor seine Geschäftskleidung an. »Nach der Mittagszeit bin ich zurück, Cleo, dann wäre es gut, wenn du bereit wärst, mit Gabriel rauszugehen.«
»Wohin?«
Er machte eine dramatische Pause, bevor er sich über den Tisch beugte. »Ich habe meinen Freund Jean Paul überzeugt,
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