Das Herz des Südens
Verpflegung und Lampenöl und alles, was nötig ist, und ich verzichte auf ein Gehalt, bis wir die Plantage wieder so weit haben, dass sie Gewinn abwirft.«
Josie hätte ihn am liebsten umarmt, mitsamt seiner staubigen Jacke, dem Stoppelbart und allem. »Mr Gale, Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, was das für mich bedeutet. Ich werde Ihnen das nie vergessen, und ich mache alles wieder gut, das verspreche ich Ihnen.« Aus einem Impuls heraus stand sie von ihrem Stuhl auf und setzte sich neben Mr Gale aufs Sofa. »Ich muss Ihnen so viel erzählen. Und ich würde Ihnen gern zeigen, woran der alte Sam die Leute gerade arbeiten lässt und was für Gebäude neu entstanden sind, solange Sie weg waren.«
Mr Gale stand auf. »Ich kann es kaum erwarten, alles zu sehen, wirklich. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich einen kurzen Besuch bei Madame Tassin mache? Wissen Sie, wir kennen uns so lange …«
»Selbstverständlich sollten Sie das tun. Sie sind ja auch sicher müde und wollen die Kinder gern ins Haus bringen. Ich sage Louella, dass sie Ihnen ein Abendessen machen soll, und Ellbogen-John kann Ihnen beim Ausladen helfen.«
»Danke vielmals, Madame. Ich weiß, wir müssen über viele Dinge reden, die die Arbeit betreffen, und morgen in aller Frühe bin ich bereit, wenn das für Sie in Ordnung ist.«
»Ich kümmere mich um alles und lege die Rechnungsbücher bereit. Und nach dem Frühstück können wir ausreiten und uns die Felder ansehen.« Josie nahm Mr Gales raue Hand in die ihre. »Ich danke Ihnen, Mr Gale.«
»Und ich danke Ihnen, Mademoiselle Josephine. Ich bin ehrlich froh, wieder hier zu sein.«
Mit Mr Gale als Unterstützung konnte es sich Josie wieder leisten, bis nach Sonnenaufgang zu schlafen. Ihre Stimmung besserte sich, nun da sie einen Menschen an ihrer Seite hatte, der die Last mit ihr teilte, die Plantage zu leiten, und sie begann ernsthaft über durchgreifendere Maßnahmen nachzudenken, um die Finanzen zu sanieren.
Sie hatte den Schmuck ihrer Mutter schon durchgesehen und versucht, eine Vorstellung davon zu bekommen, wie viel die einzelnen Stücke einbringen würden. Da gab es eine perlenbesetzte Brosche, einen großen Saphiranhänger, mehrere Ringe mit Halbedelsteinen und einen mittelgroßen Diamanten. Das würde kaum reichen, um die Zinsen fürs nächste Vierteljahr zu bezahlen, aber man würde sehen, was sie dafür bekommen konnte.
Josie trug die Schmuckschatulle zu ihrer Großmutter, als diese von einem ihrer Nickerchen erwachte. Grand-mère konnte nicht sprechen und keinen Stift mehr halten, aber denken konnte sie so gut wie früher, und vielleicht wusste sie, welchen Preis man für den Schmuck erzielen konnte.
»Was meinst du dazu?«, fragte Josie. »Fünfzig Dollar?«
Grand-mère sagte etwas, und Josie fragte nach. »Mehr? Fünfundsiebzig?«
Grand-mère nickte, und so arbeiteten sie sich durch die Sachen von Josies Mutter, bis Josie eine klare Vorstellung davon hatte, wie viel sie dafür verlangen konnte. Als sie den Schmuck wieder wegpackte, wurde ihre Großmutter plötzlich ganz aufgeregt. Sie deutete auf ihr Zimmer und versuchte, Josie etwas zu sagen.
»Ist gut, Mémère, ich fahre dich gleich da rein, warte einen Augenblick.«
In ihrem Schlafzimmer angekommen, zeigte Grand-mère auf die schwarz lackierte Schachtel im obersten Fach ihres Kleiderschranks. Josie stellte sie ihrer Großmutter auf den Schoß und half ihr beim Öffnen. In der Schachtel fand sich eine Auswahl von Ringen und Ketten, mindestens so wertvoll wie der Schmuck von Josies Mutter. Aber daran war Grand-mère nicht interessiert. Am Boden der Schachtel gab es ein winziges Geheimfach, und dort, auf einem Bett aus schwarzem Samt, lag ein Anhänger mit einem großen Diamanten, umgeben von kleineren Diamanten.
Josie war fassungslos. »Grand-mère, so einen wunderschönen Schmuck habe ich ja noch nie gesehen! Du hast ihn nie getragen, jedenfalls nicht, solange ich mich erinnern kann.« Sie wollte ihre Großmutter richtig verstehen und fragte deshalb vorsichtig nach. »Willst du, dass ich diese Kette auch verkaufe?«
Grand-mére wurde wieder ganz aufgeregt, und je mehr sie sich aufregte, desto schwerer war sie zu verstehen. »Langsam, Mémère!«
Sehr langsam, jede Silbe einzeln betonend, so deutlich wie sie konnte, sagte Grand-mère: »Nicht für die Zinsen.«
»Ich soll das Geld nicht für die Zinszahlungen ausgeben, richtig?«
Grand-mère nickte heftig. Mit einiger Anstrengung verstand Josie, was
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