Das Herz des Südens
gemeint war. Ihre Großmutter wollte, dass sie den Diamanten benutzte, um eine geschäftliche Investition zu tätigen, die etwas einbrachte und nicht nur die Banken auf Abstand hielt, bis die nächsten Zahlungen fällig waren.
Jetzt war die alte Dame erschöpft. Josie rief Laurie, damit sie ihr half, sie zu Bett zu bringen. Dann ließ sie Beau satteln. Sie musste nachdenken. Die Diamanten eröffneten ihr neue Möglichkeiten, aber sie wusste noch nicht, was für welche.
Sie ließ die Zügel locker und ließ Beau die Straße am Fluss entlang gehen, während sie darüber nachdachte, mit welchen Geschäften die Leute in der Stadt ihr Geld verdienten. Die Straßen von New Orleans waren immer voll von Händlern gewesen, die Früchte oder Kuchen oder Gumbo verkauften. Selbst Wasser wurde verkauft, wenn es warm genug war.
Was konnte sie verkaufen? Natürlich konnte sie nicht auf der Straße herumlaufen wie die Leute aus den unteren Schichten, aber einen Laden konnte sie betreiben. Sie stellte sich eine Theke vor, hinter der sie stand und fremden Menschen ihre Waren verkaufte. Jedenfalls hoffte sie, dass es fremde Menschen sein würden, es wäre ihr nicht recht gewesen, dass ihre Freunde aus der besseren Gesellschaft sie so sahen.
Beau war bis nach Cherleu gegangen, während Josie in Gedanken versunken war. Als sie das alte Haus sah, fuhr sie zusammen. Es war nicht mehr grau und baufällig, sondern frisch mit weißer Farbe gestrichen, sodass es geradezu leuchtete. Die Dachschindeln glänzten wie blondes Haar, so neu waren sie. Der Garten war gepflegt, und das ganze Anwesen strahlte Wohlhabenheit aus.
Wenn Abigail Johnston – nein, Abigail Chamard – wüsste, dass sie gerade darüber nachdachte, einen Laden in New Orleans zu eröffnen, selbst Waren zu verkaufen, dann wäre sie vermutlich entsetzt. In Abigails Welt machten Frauen sich nicht die Hände schmutzig. Aber sie gehörte nicht in Abigails Welt. Sie würde niemals untätig herumsitzen, nur das schmückende Beiwerk für einen Mann sein. Jedenfalls jetzt nicht mehr, nachdem sie herausgefunden hatte, was sie wirklich konnte.
Als Josie mit Beau zurück nach Toulouse kam, war er schweißnass, aber sie hatte einen Plan. Sie würde mit Louella nach New Orleans fahren. Sie würden eine Küche anmieten, und dort würden sie Pasteten backen. Alle möglichen Pasteten, mit Blaubeeren und Apfel, aber auch mit Schweinefleisch und Hühnchen darin. Sie überließ das Pferd dem Stall-jungen und eilte an ihren Schreibtisch, um auszurechnen, wie viel es kosten würde, eine Pastete herzustellen. Mehl, Früchte, Fleisch, Speck, Salz, Zucker. Sie versuchte, sämtliche Kosten zu erfassen, selbst die für den Betrieb des Backofens.
Diamanten zu Pasteten, dachte sie. Das konnte funktionieren. Innerhalb eines Monats konnte sie in New Orleans sein. Für einen Augenblick überlegte sie, ob Cleo wohl nach New Orleans gegangen war, ob sie zu Phanor gegangen war wie Remy. Weder Cleo noch Phanor würde noch etwas mit ihr zu tun haben wollen. Nicht nach allem, was geschehen war.
Josie schüttelte den Kopf, um das Bild von Cleos panischem Gesicht zu vertreiben. Ich habe etwas Furchtbares getan, dachte sie. Dann legte sie eine Hand an die Stirn, als könnte sie so die Schwermut abwehren, unter der sie litt, seit Cleo gegangen war.
Sie musste damit aufhören. Sie durfte nicht mehr darüber nachdenken, was sie Cleo angetan hatte. Sie musste weitermachen und Toulouse retten.
36
New Orleans, 1839
Der Wind vom Fluss her saugte Josie alle Wärme aus den Knochen. Sie eilte durch das dämmrige Morgenlicht zu der grauen Bretterbude, die sie nicht weit vom Jackson Square gemietet hatte. Die Umgebung für ihre kleine Küche war nicht gerade vornehm, aber sie hatte auf ihrer Suche nach einem Platz für ihr Geschäft viel schlimmere Straßen gesehen. Hier bezahlten die Ladenbesitzer jedenfalls gelegentlich ein paar Arbeiter, die den Müll, den Unrat und die Tierkadaver wegschafften.
Josie musste gegen den Wind ankämpfen, um die Tür zu öffnen und hinter ihr wieder zuschlagen zu lassen. Louella hatte den gemauerten Backofen schon vorgeheizt. »Kalt heute, aber wirklich«, sagte sie. »Stell dich einen Moment hier ans Feuer, bevor du den Mantel ausziehst.«
Die Küche war vier Meter im Quadrat groß und hatte in der Wand zur Straße hin ein großes Fenster und eine eingebaute Theke. Durch die Ritzen pfiff der Wind, und solange Josie das Fenster geschlossen hielt, war es dunkel und rauchig hier
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