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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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sie. Dann wandte sie sich an Phanor, diesmal mit einem eher geschäftsmäßigen Blick. »Weißt du, ich hätte so schrecklich gern ein Dutzend Kisten von dem Chenin Blanc, Phanor.« Sie senkte ein wenig den Kopf und sah ihn von unten her mit seelenvollem Blick an, während sich ihre geschminkten Lippen zu einem leichten Schmollmund verzogen. »Aber er ist so entsetzlich teuer!«
    Phanor lächelte und warf Cleo einen Blick zu. »Da ließe sich sicher etwas machen.«
    »Oh, meinst du wirklich, mein Lieber? Vielleicht einen Dollar weniger pro Kiste, als ich bei meiner letzten Bestellung bezahlt habe?«
    »Na, ich denke, ein halber Dollar müsste auf jeden Fall möglich sein.«
    Natascha lächelte ganz reizend und klimperte tatsächlich mit den Wimpern. »Du bist ein Schatz, Phanor. Cleo … war das nicht der Name? Komm doch mal mit, dann sehen wir nach, was wir da haben. Oh, das Kind. Phanor, würdest du wohl …«
    Phanor streckte die Arme nach Gabriel aus, und Cleo folgte der roten Seidenschleppe aus dem Zimmer.
    Eine halbe Stunde später erschien sie wieder, mit leuchtendem Gesicht, ein großes, weiches Bündel unter dem Arm und ein Paar schwarze Satin-Slipper in der Hand.
    »Es ist so schön, Phanor!«, flüsterte sie. »Und sie hat gesagt, ich kann es behalten. Es ist nur ein ganz klein wenig angeschmutzt und am Saum ein bisschen angerissen, aber es ist sowieso zu lang.«
    »Und ist es lila oder rot?«, neckte er sie.
    »Rot. Es ist aus rotem Samt.«

35
    Toulouse
    »Sie müssen doch essen!«, sagte Laurie, aber Grand-mère, die ganz in ihrem Rollstuhl zusammengesunken war, schob Lauries Hand weg und verschüttete den Brei auf Lauries sauberem Rock. »Jetzt sehen Sie doch, was Sie gemacht haben, Sie böses altes Weib!«
    »Laurie!« Josie griff nach einer Handvoll von Lauries Zöpfchen und schüttelte sie. »Ich hätte nicht übel Lust, dir eins mit der Gerte überzuziehen. Ab, geh ins Küchenhaus und sieh nach, ob Louella dich brauchen kann.«
    Josie setzte sich zu ihrer Großmutter und rührte in der Schüssel mit dem Brei. »Mémère, wenn du das hier nicht magst, hole ich dir Toast und Marmelade. Den Toast kannst du selbst essen, wenn es dir darum geht.«
    Grand-mère versuchte zu sprechen, aber sie war fast nicht zu verstehen. »Ack-ra.«
    »Okra? Soll Louella dir Okraschoten machen?«
    Grand-mère sprach lauter und fuchtelte mit der Hand, aber es kam nur ein Schwall unverständlicher Laute heraus, von denen eines, soweit Josie es verstand, durchaus ein Fluch sein konnte. Aber wer konnte das schon wissen? Seit Cleo fort war, verstand niemand mehr, was Grand-mère sagte, und ihre Laune wurde immer sprunghafter und im Großen und Ganzen schlechter.
    Josie blieb einfach sitzen, bis der Wortschwall versiegte. Sie war so müde! Am frühen Morgen ritt sie über die Plantage, und nachmittags saß sie über den Aufzeichnungen, die ihre Großmutter und deren Vater und Vorfahren gemacht hatten. Sie hatten die Termine festgehalten, zu denen die Felder gedüngt worden waren, die Lieferanten des Düngers und die Preise und wie viele Arbeitskräfte nötig waren, um ein Maisfeld zu düngen.
    Und dann gab es da Tausende von Einzelheiten, auf die man achten musste, zum Beispiel die Frage, ob genug Holzkohle gebrannt worden war, um über den Winter zu kommen. Ob sie ihre Leute einsetzen sollte, um das Gemüse in den Gärten abzuernten oder um das Unkraut auf den Zuckerrohrfeldern auszureißen? Zwanzig Sklaven mehr, und sie hätte weniger Sorgen, wie sie die Leute richtig einteilte, damit alles erledigt werden konnte.
    Und außerdem vermisste sie Cleo und den kleinen Gabriel so sehr! Reue, Schuldgefühl, Scham, Einsamkeit und Müdigkeit erschöpften sie, und dazu kam noch ihre Großmutter, die die Hälfte ihrer wachen Zeit vor sich hin wütete. Hätte Josie nur all die Jahre der Erfahrung anzapfen können, hätte sie sie nur um Rat fragen können – aber sie verstand nicht einmal eines von zehn Wörtern, die die alte Frau sprach. Beim letzten Mal, als sie sie gefragt hatte, welche Rechnungen sie zuerst bezahlen sollte, da war Grand-mère so ungeduldig geworden, dass sie beide in Tränen ausgebrochen waren. Schließlich hatte Josie einfach aufgegeben.
    Josie sorgte dafür, dass Laurie ihrer Großmutter Tee und Marmelade brachte und sich wieder respektvoll benahm. Dann ging sie zurück ins Arbeitszimmer, um weiter über den Rechnungen zu brüten.
    Inzwischen trug sie die verhasste Lesebrille an einem Band um den Hals; sie

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