Das Herz des Südens
Blick auf ihr Nachthemd ihren Körper zum Glühen gebracht hatte und ihre Brüste zum Schwellen. Und nun würde sie ihn wiedersehen.
»Ein Cousin, soweit ich weiß. Ich kenne ihn allerdings kaum, und ich weiß nicht genau, in welcher Weise wir verwandt sind.«
»Ach, wirklich? Das ist ja seltsam«, sagte Abigail.
»Es ist mir schon klar, dass Sie ihn nicht gut kennen können«, bestätigte Mr Johnston Josie. »Er hat sich seit seiner Schulzeit in Frankreich aufgehalten.«
Josies Finger verirrten sich zu der Locke über ihrem Ohr. Bertrand Chamard musste Toulouse ebenso schlicht und klein gefunden haben wie Abigail. Und sie selbst – neben Abigail Johnston würde er sie klein und hässlich finden. Oder vielleicht doch nicht? Albany fand sie ja offenbar ganz attraktiv.
Nach dem Mittagessen am folgenden Tag setzte der Regen wieder heftig ein. Die Mädchen lagen auf Abigails Bett auf der seidenen Tagesdecke und plauderten, bis selbst Abigails unerschöpflicher Redefluss in trübem Schweigen endete. Die ganze Zeit, während Abigail ihr das Haus gezeigt hatte, sie mit Modemagazinen und Klatschgeschichten aus der Stadt unterhalten hatte, war Josie in Gedanken mit der Nacht beschäftigt gewesen, als sie Bertrand Chamard das erste Mal getroffen hatte. Immer wieder hatte sie sich die Hitze dieses Augenblicks in ihrem Zimmer in Erinnerung gerufen. Sie hätte Abigail gern gefragt, ob sie Bertrand Chamard kannte und was sie von ihm hielt … und ob er sie jemals so angesehen hatte. Aber sie wagte es nicht.
Abigail gingen allmählich die Einfälle aus, womit sie ihren Gast unterhalten könnte. Sie langweilten sich. Sie konnten doch nicht den ganzen Nachmittag so herumliegen, dachte Josie, sie mussten doch endlich mal irgendetwas tun.
»Du hast mir das Küchenhaus noch gar nicht gezeigt, Abigail. Wir könnten Zimtkuchen zum Abendessen machen.«
Abigail stützte sich auf den Ellbogen und sah Josie eindringlich an. »Zimtkuchen machen?«
»Oder einen Apfelkuchen. Ihr habt doch bestimmt irgendwo noch ein Fass mit Äpfeln vom letzten Herbst.«
»Du kochst?«, fragte Abigail.
Da wurde Josie klar, warum Abigail ihr das Küchenhaus nicht gezeigt hatte. Vermutlich hatte sie es noch nie in ihrem Leben betreten. »Ja, ein paar Sachen kann ich selbst machen.« Sie spürte, wie sie rot wurde. »Meine Großmutter besteht darauf, dass ich etwas Nützliches lerne.«
»Etwas Nützliches«, wiederholte Abigail. »Nun, ich könnte wohl nichts derart Nützliches tun. Im Übrigen hätte ich auch gar nicht die Zeit dazu, ich muss Klavier üben und Französisch lernen und Briefe schreiben …« Abigail streckte die Hand aus und blickte ihre zarte Haut und die gepflegten Fingernägel an. Josie versteckte ihre Finger in den Handflächen. Einer ihrer Fingernägel war immer noch sehr kurz, weil er ihr abgebrochen war, als sie nach Mamans Beerdigung geholfen hatte, die Gästebetten zu verstauen.
Was für ein Fauxpas, dachte sie. Offenbar erwartete niemand von Abigail, dass sie in irgendeiner Weise zu den Arbeiten im Haus beitrug. Sie und ihre Mutter waren echte Ladys, immer hübsch angezogen, immer präsentabel und einfach bezaubernd. Was für ein Gegensatz, wenn man Mrs Johnstons glattes, fröhliches Gesicht mit dem ständigen unzufriedenen Schmollen ihrer Maman verglich oder mit dem üblicherweise grimmigen Blick ihrer Grand-mère. Mrs Johnson hatte sicher nie Gelegenheit, die Gewinne und Verluste der Plantage gegeneinander aufzurechnen oder Mr Johnstons Spielverluste gegen die Gewinne, die sie mit Zuckerrohr gemacht hatte. Sie musste auch sicher nicht jeden Tag die Geliebte ihres Mannes und seine uneheliche Tochter in ihrem eigenen Haus dulden.
Josie schob die schmerzlichen Gedanken zur Seite und betrachtete den üppigen rosafarbenen Damast über dem Bett, den Stühlen, selbst an den Fenstern in Abigails Zimmer. Der Spiegel hatte keine Altersflecken, wo die silberne Beschichtung dem Klima Tribut zollte. Der Frisiertisch aus Rosenholz hatte noch keine abgestoßenen Stellen oder Flecken. Josie sehnte sich nach so viel Luxus, sowohl nach dem materiellen Überfluss als auch nach der Art und Weise, wie die Frauen der Johnstons offenbar verwöhnt wurden.
Und doch – was für ein langweiliger Nachmittag!
Am folgenden Morgen zog die Zofe die schweren Vorhänge zur Seite, und der Himmel war tatsächlich strahlend blau. Josie hielt sich eine Hand über die Augen und hoffte, die Regenzeit wäre nun endlich vorbei.
Die Sonne brannte den Tag über
Weitere Kostenlose Bücher