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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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drehte sich um, als ihr Vater sie berührte. Sie erwiderte seinen Kuss nicht.
    »Au revoir«, sagte er. »Ende der Woche sehen wir uns wieder.«
    Josie betrat das Schiff über die Gangway und blieb unter der überhängenden Galerie des zweiten Decks stehen. Papa stand im Regen und warf ihr eine Kusshand zu. Josie blickte hinüber zur Veranda, wo Cleo stand und ihr zuwinkte, aber sie erwiderte keinen der Grüße. Ihr Herz war schwer wie Blei.
    Die Strömung zog das Schiff schnell vom Ufer weg. Das Wasser war voller Äste und Zweige, hier eine leere Kiste, dort sogar eine tote Kuh. Josie blickte lieber auf das Ufer, winkte den kleinen Jungen nach, die Mr Gale alle fünfzig Meter aufgestellt hatte, um auf undichte Stellen im Deich zu achten, und zog sich dann in den Salon zurück, von wo aus sie den Regen beobachtete, der auf das braune Wasser platschte. Hoffentlich hatte Ellbogen-John einen trockenen Platz an Deck gefunden.
    Nach einer halben Stunde machte der Fluss eine Biegung, und Josie konnte zum ersten Mal das Anwesen der Johnstons sehen: Drei Stockwerke hoch und strahlend weiß stand es in einem kurzen Sonnenstrahl, der durch die Wolken drang. Kein Wunder, dass Abigail das Haus der Tassins als klein bezeichnet hatte.
    Am Anleger übergab Ellbogen-John Josie an den Butler der Johnstons, Charles. Josie sah noch einmal das beeindruckende Haus an und wünschte sich nichts sehnlicher, als zu Hause zu sein. Sie umarmte Ellbogen-John schnell und folgte dann Charles den langen gepflasterten Weg zum Haus hinauf. Riesige runde Säulen stützten das Dach der Veranda, und die vorderen Fenster funkelten mit ihren neuen Glasscheiben. Josie strich ihre Haube glatt und schüttelte ihre Röcke aus, damit sie nicht an ihren Beinen klebten. Dann nickte sie Charles zu, und er öffnete ihr die große Doppeltür.
    Niemals zuvor hatte Josie eine solche Eingangshalle gesehen. Toulouse war ein typisches kreolisches Haus, bei dem man durch die Eingangstür direkt in den Salon kam, und an der gegenüberliegenden Wand führte eine weitere Doppeltür die Gäste ins Speisezimmer. Die Eingangstür der Johnstons hingegen führte zunächst in eine große Halle, deren Decke bis hinauf zum dritten Stock reichte. Auf halbem Weg durch diese Halle standen kleine Palmen in Porzellantöpfen zu beiden Seiten einer kleinen rotsamtenen Sitzgruppe.
    Charles nahm Josie ihren Umhang ab und führte sie in den Wohnraum, wo ein Feuer im Kamin die Feuchtigkeit bannte.
    »Miss Abigail wird gleich herunterkommen, Miss Tassin.«
    Josie setzte sich auf die Kante des schwarzen Sofas mit der Rosshaarpolsterung und hoffte, das Regenwasser aus ihren Röcken würde nicht auf den Boden tropfen. Während sie den üppig ausgestatteten Raum betrachtete, knetete sie ihr Taschentuch. In der Mitte des Zimmers stand ein Tisch aus leuchtendem Rosenholz, und der große Spiegel über dem Kamin reflektierte die grünseidene Wandbespannung. Die Vorhänge waren aus Damast und von etwas dunklerem Grün und reichten von der Decke bis auf den Boden, wo sie sich kräuselten, ein Muster an Überfluss aus Stoff.
    Jetzt waren schnelle Schritte auf der Treppe zu hören. Abigail würde vermutlich ihre nassen Röcke und ihre windzerzauste Erscheinung begutachten, aber daran konnte sie nichts ändern. Wenigstens roch sie diesmal nicht nach Zedernholz.
    Abigail eilte ins Zimmer, beide Hände zum Gruß ausgestreckt. »Da bist du ja endlich! Ich freue mich so, dich zu sehen!«
    In ihrer Stimme war kein Hauch von Herablassung zu hören, und Josie lächelte erleichtert.
    »Du armes Ding, du bist ja vollkommen durchnässt!«, sagte Abigail. »Setz dich ein bisschen näher ans Feuer. Sobald Suzanne deine Sachen ausgepackt hat, gehen wir nach oben, dann kannst du dich umziehen. Wie war die Fahrt? Ist der Fluss nicht zum Fürchten, wenn er so viel Wasser führt wie im Moment? Regnet es hier denn jeden Sommer so viel?«
    Josie lachte ein bisschen zu laut. »Aber nein, so viel Regen ist nicht gewöhnlich – es ist zu viel«, sagte sie in ihrem ungeschickten Englisch.
    »Mein Vater macht sich schon Sorgen, der Fluss könnte seine Felder überschwemmen. Er hat die Schwarzen nach draußen geschickt, damit sie den Deich erhöhen. Hast du sie vom Schiff aus nicht gesehen? Dein Vater tut doch auf eurer Plantage sicher dasselbe.«
    Josie vermutete, dass ihrem Vater eine derartige Vorsichtsmaßnahme kaum in den Sinn kommen würde. Aber Mr Gale würde wohl so etwas vorschlagen, schließlich hatte er auch die

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