Das Herz des Südens
ein wenig riechenden Lehrer vermisste sie nicht – wie er immer hinter Josie stand und den Takt mit dem Fuß klopfte … Aber sie hatte das Stück erst zweimal gehört. Wenn sie doch nur die Noten lesen könnte! Im Frühling hatte sie angefangen, die rätselhaften Zeichen in dem Anfängerbuch zu entziffern, das sie in einem Schrank gefunden hatte. Vielleicht war sie bis zum nächsten Sommer so weit, dass sie Noten lesen konnte.
Kaum hatte sie den Deckel des Instruments geöffnet, als auch schon Madames kleine Lieblingszofe ins Zimmer trat.
»Cleo, du wirst verlangt«, sagte Laurie. Ihr Haar war in kleinen Zöpfchen über den ganzen Kopf hinweg geflochten, und ihre schwarzen Augen leuchteten vor lauter Wichtigkeit. »Der Cajun ist da. Madame sagt, du sollst dich um ihn kümmern, sie hat zu tun.«
»Der junge Cajun oder der alte, Laurie?«
»Na, der mit dem Hut! Jung, alt, was weiß ich!« Laurie hielt ihr die Geldbörse hin. »Hier ist viel Geld drin, Cleo, sei vorsichtig, Madame zählt es nach.«
»Jaja, ist schon gut, Laurie.« Cleo wedelte ungeduldig mit der Hand. Es könnte Phanor sein, dachte sie und eilte an Josies Spiegel, um ihr Kopftuch zu überprüfen und ihr Kleid glatt zu streichen, bevor sie hinunterging.
Phanor lehnte an seinem Wagen, die Hosen bis zu den Knien hochgerollt, um sie vor dem Schlamm zu schützen. Als Cleo aus dem Haus kam, warf er den Grashalm weg, auf dem er gekaut hatte, und beobachtete, wie sie auf ihn zukam.
Cleo, die sehr wohl bemerkte, dass sie bewundert wurde, ließ ihre Hüften ein klein wenig mehr schwingen und hob den Kopf.
»Bonjour, Mademoiselle.« Er sah sie schon wieder so an, als machte er sich ein bisschen über sie lustig. Warum er nur so selbstgewiss war? Sie hob die Nase noch ein wenig höher.
»Bonjour, Phanor.« Sie dehnte den Namen so herablassend, wie sie nur konnte. Aber er merkte nichts, lachte nur und zeigte seine weißen Zähne.
»Wie geht es dir an diesem herrlichen Tag, Cleo? Die Sonne zeigt sich endlich mal wieder, und vielleicht trocknet dann auch endlich der Schlamm auf den Wegen.«
Man konnte ihm einfach nicht böse sein, diesem Jungen mit den lustig funkelnden braunen Augen. Sie lächelte ihn unter langen schwarzen Wimpern hindurch an. »Aber du hast den Wagen durch den Dreck gesteuert.«
»Ja. Die beiden alten Jungs hier, Gus und Toine«, sagte er mit einer Geste zu seinen Maultieren, »werden ganz schön müde sein, bis wir wieder zu Hause sind.«
Der Wagen stand offen, und Cleo kletterte kurz auf die hintere Achse. »Der Wagen ist ja leer!«
Er stellte sich neben sie. »Ja, ich bin heute hier, um zu kaufen, nicht um zu verkaufen. Unser Hühnerhaus ist gestern weggeschwommen, die Hühner haben gegackert und geschrien, aber dann ist ein großer Alligator gekommen und hat das ganze Haus unter Wasser gezogen, das schwärzeste Wasser, das du jemals gesehen hast.«
Cleo machte große Augen. »Ist euer Haus überschwemmt?«
»Nein, das Haus nicht, nur der Hühnerstall. Im Haus ist alles trocken und sicher. Hast du noch nie ein Cajun-Haus draußen im Sumpf gesehen?«
Cleo schüttelte den Kopf. Sie hatte bemerkt, dass es ihm nichts ausmachte, sie direkt anzublicken. Er wusste offenbar ziemlich genau, wie er auf Mädchen wirkte. Sie sah ihn fest an, mit einem verführerischen Blick, der dem Wolfsfunkeln in seinen Augen in nichts nachstand.
»Ja, weißt du, wir Cajuns«, sagte er, »wir wissen, was man tun muss, wenn das Wasser steigt. Mein Grand-père hat unser Haus auf hohen Pfählen gebaut, höher als das Haus hier. Wenn es nass ist, haben wir darunter die Lagerräume; wenn es trocken ist, steht dort der Wagen.«
Cleo bewunderte die Art und Weise, wie Phanor mit seinen Händen alles unterstrich, was er sagte, aber sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn ein wenig zu reizen. Sie wedelte mit den Händen, ahmte Phanor nach, wie er den zuschnappenden Alligator oder die flatternden Hühner darstellte.
Phanor tat so, als wollte er ihr einen Rippenstoß geben, und nachdem sie ein wenig gelacht hatten, kehrte wieder einträchtiges Schweigen zwischen ihnen ein.
Er war wirklich ein äußerst charmanter Kerl, dachte sie, aber bei ihm fühlte sie sich vollkommen entspannt. Ihr Herz hatte sie schon an einen anderen verloren, mit Phanor flirtete sie nur zum Spaß.
Sie dachte an Josie, die diesen leichtfüßigen Cajun so gern mochte. Vielleicht hätte er sie ein wenig aufheitern können. Aber dazu hätte sie hier sein müssen. »Wusstest du,
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