Das Herz des Südens
bezaubernd.
Monsieur Breton mit den gelben Zähnen lauerte in der Nähe, aber Alphonse ließ Josephines Aufmerksamkeit nicht los. Die gute Erziehung verlangte, dass der Herr mit dem strengen Duft stattdessen Violette in ein Gespräch verwickelte, und tatsächlich strengte sich Violette an, unterhaltsam zu sein. Zumindest gähnte sie nicht, aber ihr ständig bewegter Fächer und ihr schrilles Lachen bei jeder Bemerkung, die Monsieur Breton machte, trugen nicht unbedingt dazu bei, sie liebenswerter zu machen.
Plötzlich hörte man die ersten Töne einer Quadrille, die die Musiker durch das Summen der Gespräche schickten. Alphonse stand auf. »Möchten Sie tanzen?«, fragte er und streckte seine Hand aus.
Damit begann der Zauber dieses Abends. Die Geigen, das sanft bewegte Kerzenlicht, der Zitronenduft, der vom Hof hereindrang – Josie schwebte über den glänzend polierten Boden, ohne darüber nachzudenken, wie sich ihr schwarzes Kleid zwischen all den grünen, blauen und lavendelfarbenen Röcken wohl ausmachte.
Erhitzt vom Tanzen, näherten sich die beiden dem Tisch mit der Bowle, wo ein Diener im weißen Jackett süßen, schäumenden Wein in gläserne Tassen einschenkte. Josie hörte ein Flüstern hinter sich: »Eine Schande!« Gerade wollte sie sich fragen, wer die alten Frauen der Gesellschaft wohl so beleidigt hatte, als eine zweite Stimme sagte: »Kaum sechs Monate in Trauer, und schon tanzt sie wieder.«
Sie errötete von Kopf bis Fuß, und Tränen schossen ihr in die Augen. Alphonse hatte es auch gehört und beugte sich zu ihr hinüber. »Es tut mir so leid! Ich habe gar nicht daran gedacht.«
Sie schüttelte den Kopf, um ihn zu entschuldigen. »Nein, es ist nicht Ihre Schuld, ich hätte daran denken müssen.«
Er führte sie zu einer Sitzgruppe weiter weg von der Tanzfläche und setzte sich zu ihr. »Machen Sie sich nichts draus«, sagte er. »Diese beiden alten Schachteln müssen immer an allem herumkritteln. Ich habe sie schon bei anderen Gelegenheiten tratschen hören, das können Sie mir glauben.«
»Aber sie haben leider recht.« Josie fühlte sich wie mit kaltem Wasser übergossen, nachdem der Zauber der Tanzfläche so plötzlich auf die harsche Wirklichkeit der gesellschaftlichen Etikette reduziert worden war.
Tante Marguerite entschuldigte sich bei einer Gruppe von Gästen und kam zu ihr. Alphonse stand auf und bot ihr seinen Platz auf dem Sofa an, aber dann zögerte er. Musste er sich jetzt entschuldigen oder brauchte Josie seine Unterstützung?
Tante Marguerite setzte sich und lächelte Alphonse an. »Könnten Sie mir wohl ein Glas Wein holen, mein Lieber?«, bat sie ihn.
Nachdem sie ihn auf diese Weise elegant davonkomplimentiert hatte, tätschelte sie Josie die Hand. »Keine Sorge, meine Liebe, meine lieben alten Freundinnen …« Sie machte eine Kopfbewegung zu den gestrengen alten Damen, die am anderen Ende des Raums standen. »Die beiden glauben immer, sie hätten in Sachen Etikette die Weisheit für sich gepachtet. Aber ich weiß, meine Schwester wäre glücklich, dass du endlich wieder lachst. Und dein Papa hat sich ohnehin nie um das Gerede der Leute gekümmert, oder?«
Alphonse näherte sich wieder, eine Champagnerflöte in der Hand, die Marguerite mit einem Augenzwinkern entgegennahm. »Genießt die Zeit in meinem Haus«, sagte sie und verließ die beiden, die einander nun ungeschickt anlächelten.
Selbst mit dem Segen der Gastgeberin wagte es Alphonse nicht, einen weiteren Tanz vorzuschlagen. Stattdessen bummelten sie zum Tisch und füllten ihre Teller mit Garnelen, Austern in Currysahne, eingelegten Okraschoten und Ingwerküchlein. Dann suchten sie sich einen Platz auf der Veranda über der Rue Royale und aßen im Mondlicht, das sich auf ihren Gesichtern spiegelte.
Ein anderer Diener, ebenfalls im weißen Jackett, nahm ihnen die leeren Teller ab, und sie lehnten sich gegen das schmiedeeiserne Gitter, um das Leben auf der Straße unter ihnen zu beobachten. Alphonse machte eine Bemerkung über die Betrunkenen, die auf dem Weg zu den Bars am Fluss waren, und Josie fragte sich, auf wen die Frau in dem roten Kleid wohl warten mochte, die an der Ecke unter der Straßenlaterne stand. Alphonse beantwortete die Frage nicht, sondern lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ein schönes Paar Pferde, die eine Kutsche die Straße hinaufzogen.
Gerade unter ihnen hielt die Kutsche an. Ein Mann mit schwarzem Zylinder stieg aus, und als er sich umdrehte, um mit dem Fahrer zu sprechen, blitzte das
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