Das Herz des Südens
zu schreiben, das sie bei ihrer Abreise von zu Hause begonnen hatte. Sie musste versuchen, Klarheit in dieses frustrierende Treffen mit Bertrand zu bringen, und ihr Tagebuch war ihr einziger Vertrauter.
Wenn sie in den nächsten Tagen nicht an Bertrand dachte, machte sie sich Sorgen um Cleo. Hoffentlich war sie nicht so dumm gewesen, Remy bei seiner Flucht zu helfen. Damit konnte sie sich nur in Gefahr bringen, vor allem mit diesem neuen Aufseher, den man noch nicht einschätzen konnte, und mit Grand-mère als einzigem Schutz. Josie wünschte sich, sie könnte sicher sein, dass ihre Großmutter einschreiten würde, wenn man Cleo Vorwürfe machte, aber andererseits hatte Grand-mère nie besondere Zuneigung gegenüber Cleo gezeigt.
Josie kannte eigentlich kein Heimweh, aber der Gedanke an Cleos Schwierigkeiten machte ihr Sorgen, und sie sehnte sich zurück nach Toulouse. Cleo gehörte ihr, und niemand konnte ihr etwas tun, wenn Josie sich dagegen wehrte. Aber sie war eine Tagesreise von zu Hause entfernt.
Die Gedanken an Toulouse erinnerten sie an die Musik auf dem Deich, an Phanors langsames, entspanntes Lächeln. Grand-mère hatte ihn in ihrem Brief nicht erwähnt, also war er wohl immer noch in New Orleans.
Und wie es so häufig im Leben geht, schienen ihre Gedanken Phanor herbeizurufen. Abigail und Albany besuchten sie am Sonntagnachmittag, und sie spazierten zu dritt durch das Vieux Carré und genossen den Sonnenschein, als ein gut gekleideter junger Mann vor ihnen auftauchte.
Im ersten Augenblick erkannte Josie ihn gar nicht, aber nicht einmal ein gut geschnittenes Jackett und neue Lederschuhe konnten Phanors lässige Anmut verbergen.
»Entschuldigen Sie, Monsieur«, sagte er an Albany gewandt, als ob er die Anwesenheit der beiden Damen überhaupt nicht bemerkt hätte. »Wenn ich mich kurz vorstellen dürfte, ich bin Phanor DeBlieux, Geschäftspartner von Monsieur Cherleu, vielleicht kennen Sie ihn?«
»Monsieur Cherleu, ja, sicher«, entgegnete Albany.
»Ich bin ein Bekannter von Mademoiselle Josephine, würden Sie mir erlauben, meine Bekanntschaft mit ihr aufzufrischen?«
Albany hielt Josie am Ellbogen, als müsste er sie vor den Gefahren einer Begegnung mit einem Fremden an einem öffentlichen Ort beschützen. »Nun gut«, sagte er zu Phanor.
Josie hätte Phanor am liebsten stürmisch umarmt, aber was den Umgang mit den gesellschaftlichen Spielregeln anging, war sie inzwischen ebenso schlau wie er. So streckte sie ihm lediglich die Hand hin, und er absolvierte das notwendige Ritual aus Verbeugung und Handkuss mit Bravour. »Wie schön, Sie wiederzusehen, Monsieur«, sagte sie.
»Ich bin entzückt, Sie gesund und munter vorzufinden, Mademoiselle. Monsieur Cherleu hat mich für den Winter in New Orleans engagiert, wie Sie sehen.«
»Sie verkaufen also immer noch Wein?«, fragte Josie.
»Ach, Sie sind der Weinhändler«, mischte sich Albany ein. »Cherleu sprach im Club von Ihnen. Sie scheinen ein gutes Händchen fürs Geschäft zu haben, Monsieur DeBlieux.«
Phanor neigte ein wenig den Kopf, um das Kompliment entgegenzunehmen. »Nun, wir waren recht erfolgreich, Monsieur und ich.« Er wandte sich wieder Josephine zu. »Ich freue mich wirklich, Sie hier zu sehen. An Sonntagnachmittagen bin ich sehr oft auf dem Platz vor der Kathedrale, was für ein Glück, dass ich mich gerade heute für einen Spaziergang über die Rue Royale entschieden habe.«
Für einen Augenblick herrschte verlegenes Schweigen. Da Albany keine Anstalten machte, Phanor einzuladen, den Weg mit ihnen fortzusetzen, lüftete Phanor kurz seinen Hut. »Mademoiselle Josephine«, sagte er, dann nickte er Albany und Abigail zu. »Monsieur, Mademoiselle.« Und so spazierte er weiter, wobei sein Spazierstock aus Ebenholz hin und her schwang.
Abigail sah Josie hinter dem Rücken ihres Bruders eindringlich an, hob die Augenbrauen und spitzte die Lippen, als wollte sie pfeifen. Josie antwortete mit einem schnellen Lächeln, nahm dann aber sofort wieder den nüchternen Gesichtsausdruck an, der in Gesellschaft des gestrengen Albany Johnston angemessen schien.
Sonntagnachmittag auf dem Platz vor der Kathedrale, dachte sie. Es würde sich schon ein Weg finden, wie sie ihn dort treffen könnte. Ob er wohl immer noch Geige spielte?
Nach einer grauen, langweiligen Woche dämmerte der Sonntag klar und sonnig herauf. Es war kalt, aber trocken und strahlend. Onkel Sandrine schlug vor, bei diesem schönen Wetter zu Fuß zur Messe zu gehen, und Josie
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