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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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betrachtete auf dem Weg die letzten verbliebenen Blätter an den Bäumen und ihr leuchtendes Gelb vor dem Blau des Himmels.
    In der Kathedrale war es trotz all der brennenden Kerzen empfindlich kalt. Josie betete zur Jungfrau Maria für die Seelen ihrer Eltern, und sie betete um Schutz für alle, die sie auf Toulouse zurückgelassen hatte. Als die Messe zu Ende war, spürte sie nichts mehr in ihren Füßen, so kalt waren sie geworden.
    An das helle Licht auf dem Platz vor der Kathedrale musste sie sich erst einmal gewöhnen, und sie stand schweigend da, während sich ihre Tante und ihr Onkel mit einigen Freunden unterhielten. Der Platz wimmelte von Händlern, die geröstete Kastanien und gebrannte Mandeln verkauften. Der rothaarige Ire jonglierte wieder und hatte seinen Hut vor sich aufgestellt. Er hatte offenbar fleißig geübt, stellte Josie fest, als sie sah, wie er einen fünften Ball in die Luft warf.
    Durch den Lärm der Händlerrufe »Heiße Erdnüsse! Zuckerrohr!« hörte sie eine Geige spielen. Sie versuchte, die Melodie zu erkennen; es war dieselbe, die Phanor an dem Morgen für sie gespielt hatte, als er die Plantage verlassen hatte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um die Menschenmenge zu überblicken, aber es war einfach zu voll. Er hatte vom Nachmittag gesprochen, und jetzt war es erst kurz nach elf. Trotzdem, es war möglich …
    Sie musste sich entscheiden. Wenn sie jetzt mit ihrer Tante und ihrem Onkel nach Hause ging, würde es kaum eine Möglichkeit geben, am Nachmittag wieder hierherzukommen.
    Endlich überwand ihre Abenteuerlust die Vernunft. Sie schlüpfte durch die Menge, die immer noch aus der Kathedrale strömte, und eilte dem Klang der Geige nach. Wenn es später Ärger mit ihrer Tante gab, konnte sie immer noch erzählen, sie sei von portugiesischen Seeleuten entführt worden. Und ihre Tante würde ihr mit einem Lächeln verzeihen.
    Tatsächlich, da stand er, einen Fuß auf dem Geigenkasten. Phanors schwarzer Haarschopf leuchtete fast bläulich im Sonnenlicht, als er eine neue Melodie anspielte. Josie konnte es kaum erwarten, dass er sein Spiel beendete. Dann würde sie zu ihm laufen, ohne sich groß um all die Leute um sie herum zu kümmern, und sie würden lachen und sich freuen, dass sie zusammen waren.
    Er hatte sie in der Menge noch nicht bemerkt, und so konnte sie ihn in Ruhe beobachten. Den feinen Wollrock, den er bei ihrem letzten Zusammentreffen getragen hatte, hatte er durch einen einfachen braunen Rock ersetzt, der schon ein bisschen schadhaft war und dessen Ärmel ein wenig zu kurz schienen. In seinen alten Sachen sah er immer noch ordentlich aus, aber nicht mehr so wohlhabend wie beim letzten Mal. In dem Strohhut vor seinen Füßen glitzerten ein paar Münzen im Sonnenlicht. Warum spielte er für Geld?
    Die Menschen um ihn herum klatschten in die Hände und klopften mit den Füßen den Takt. Ein älterer Mann mit zerlumpten Hosen fand Platz genug, um ein bisschen mitzutanzen. Ein anderer Mann, gleich neben ihr, stank nach Whiskey und Urin.
    Niemand in dieser Zuhörerschaft genügte auch nur im Mindesten den Ansprüchen, die man an eine gute Gesellschaft stellen konnte, kein Einziger. Josie stand hinter einer Frau, deren Haare struppig aus ihrer schmutzig grauen Haube hervorstanden. Sie trug ein kleines Kind auf der Hüfte. Josie musste sich die Nase zuhalten, um sich vor dem Geruch der vollen Windeln zu schützen. Sie trat einen Schritt zurück, um zu vermeiden, dass irgendjemand in dieser schmuddeligen Menge ihren feinen Samtumhang berührte.
    Sie gehörte nicht hierher, nicht zu diesen Leuten. Sie gehörte auch nicht zu Phanor, das war ihr jetzt klar. Sie zog sich aus der Menge zurück und lief wieder zur Kathedrale, und es war, als folgte ihr die Musik über die Köpfe all dieser ungewaschenen Menschen hinweg. Sie drängte sich durch die Menge, an die Seite von Tante Marguerite, die sie noch gar nicht vermisst zu haben schien.
    Auf dem Heimweg zum Stadthaus ließ Josie sich ein wenig zurückfallen. Phanor war dort, auf diesem Platz, in einer Welt, die nicht die ihre war. Ihr Herz war bleischwer, als sie hinter ihrer Tante und ihrem Onkel herging. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie etwas sehr Kostbares verloren.

18
    Toulouse
    Als die Patrouille durch das Tor von Toulouse kam, mussten sich die Sklaven hinter dem Pferd des Weißen beeilen, um Schritt zu halten. Das Geräusch von Eisen auf Eisen hatte jeden Schritt von Remy begleitet, seit die Männer ihn vor acht

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