Das Herz des Südens
der Sonne, und das Küchen-haus schützte sie ein wenig vor dem kalten Wind. Louella begann, Wasser für die armen Seelen zu holen, die barfuß durch eisige Schlammpfützen gelaufen waren und deren Knöchel blutig waren von den Fesseln. »Thibault«, sagte sie, »hol doch mal noch ein paar Eimer aus den Unterkünften, wir müssen diesen Leuten Wasser geben.«
Einer der Weißen schloss die Ketten an Remys Hals, Händen und Füßen auf. Er schob ihn mit einer groben Bewegung zu Cleo hinüber, sodass sie beide zu Boden gingen. Der Sklaventreiber lachte und trat noch einmal lässig nach Remys blutendem Bein.
Remy stand mühsam auf und reichte Cleo die Hand, um ihr auf die Füße zu helfen. LeBrec schubste Cleo grob zur Seite und schob Remy Richtung Scheune.
»Monsieur, kann ich dem Jungen nicht erst etwas Wasser geben?«, fragte Louella.
»Der hat noch genug Kraft, auch ohne Wasser. Los, Junge«, antwortete LeBrec.
Madame Emmeline reichte einen Umschlag hinauf zu dem Sklaventreiber auf dem schwarzen Pferd, der nicht einmal die Höflichkeit besessen hatte, abzusteigen.
»Auf den Kerl würde ich aufpassen, Madame Tassin«, sagte er. »Ein ganz harter Knochen. Keinen Respekt vor Peitsche oder Stock, überhaupt nicht.«
»Wir wissen schon, wie wir mit unseren Leuten umgehen müssen, Mr Hayes. Guten Tag.«
Hayes legte kurz eine Hand an den Hut, bevor er seine Peitsche über den Köpfen der sitzenden Sklaven knallen ließ, damit sie wieder aufstanden.
»Madame«, begann Cleo. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, so groß war ihre Angst um Remy. »Madame, Sie lassen Monsieur LeBrec doch nicht …«
Remy hatte sie gehört und drehte sich um, weil er es nicht ertragen konnte, dass sie für ihn bat. Seine Stimme reichte kaum noch bis zu ihr. »Nicht, Cleo!«
Madame Emmeline warf ihm einen kalten Blick zu. »Geh ins Haus«, befahl sie Cleo.
LeBrec schob Remy vor sich her zur Scheune, und Remy schlurfte weiter, mit ungeschickten Schritten nach dem langen Marsch in Ketten. Warum renne ich nicht einfach wieder weg?, dachte er. Ich könnte ihm diese Pistole abnehmen, ihn niederschlagen und wieder in den Sümpfen sein, bevor sie die Sklaventreiber zurückrufen.
Er schwankte vom Fieber und vor Entkräftung. Nein, er war zu schwach. So verletzt und ausgehungert, wie er war, würde er noch vor Einbruch der Nacht sterben, wenn er jetzt wieder weglief.
Er betrat die dunkle Scheune. Es war kalt hier drinnen, aber es war trocken, und es duftete süß nach Getreide, das großzügige Nachbarn nach der Überschwemmung geschickt hatten. Als LeBrec ihm eine Hand auf den Rücken legte und ihn in eine Ecke schob, verlor Remy das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.
LeBrec öffnete das schmale Fenster bei der Tür, um besser zu sehen. Als Remy sich zu ihm umdrehte, stand er schon mit dem Messer über ihm. Das Sonnenlicht funkelte auf der Klinge, aber Remy sah nur einen Blitz, dann war LeBrec schon bei ihm.
Die Klinge fuhr in seine Ohrmuschel. Remy schrie; dann wurde er bewusstlos.
Kurz darauf kam er wieder zu sich, bemerkte, dass er allein war, und hörte Cleo, die mit den Fäusten an die verschlossene Tür schlug. »Remy!«, rief sie.
Er legte eine Hand an sein verstümmeltes Ohr und wäre beinahe wieder ohnmächtig geworden. Durch die Tür hörte er LeBrec, der sagte: »Mach mich bloß nicht wütend, Mädchen.«
»Remy!«, schrie sie. Remy wusste genau, was ein Aufseher einer jungen Sklavin antun konnte. Und dieser LeBrec war mit Cleo da draußen, während er, Remy, sich auf der falschen Seite der Tür befand.
»Mit mir ist alles in Ordnung, Cleo!«, rief er durch das kleine Fenster. »Geh weg da! Geh ins Haus, bevor du Schwierigkeiten kriegst!«
»Das ist dein Schatz da drinnen, hm?«, knurrte LeBrec. Remy spürte den Schlag, als Cleo mit dem Rücken an die Wand gedrückt wurde, und er presste sein Gesicht an das kleine Fenster, sodass er LeBrec sehen konnte, der mit tabakbraunen Zähnen Cleo angrinste.
»Du weißt ja sicher, wie du ihm die Axt ersparen kannst, oder?«, sagte er gerade zu ihr.
»Cleo, nein! Du musst das nicht tun! Nein, Cleo!«
Remy konnte den Gestank des Aufsehers riechen, wie Maultierpisse, die in der Kälte dampft. Er schlug mit der Faust an die Scheunenwand. »Ich bring dich um, LeBrec«, brüllte er, als der Aufseher seinen stinkenden Mund auf Cleos Lippen drückte.
»Monsieur LeBrec.«
LeBrec fuhr herum und wusste einen Augenblick lang nicht, was er tun sollte. Madame Emmeline verzog
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