Das Herz des Wolfes (German Edition)
hier ist meine netteste Seite. Normalerweise bin ich ein ziemliches Aas.«
Sie erschrak über sich selbst, als sie laut auflachte.
Mit einem schiefen Grinsen sah er sie an. »Mach dich bettfein«, sagte er. »Ich hole meine Sachen. Bin gleich wieder da.«
Sie sah ihn zur Tür gehen. Als er aufschloss und nur im T-Shirt hinausgehen wollte, fragte sie. »Willst du nicht deine Jacke anziehen? Draußen muss es inzwischen unter null Grad sein.«
Der Blick, den er ihr zuwarf, war eisig hell und doch brennend heiß. »Im Moment kann ich einen kalten Windstoß ganz gut vertragen.«
Der Atem flatterte in ihrer Kehle.
Mich, dachte sie. Er meint mich damit.
Er öffnete die Tür. Als er hinausging, fuhr der heulende Wind scharf wie ein Schwert durch die Wohnung. Alice stand von der Couch auf und zog sich in die einigermaßen warme Privatsphäre ihres Badezimmers zurück.
Nachdem sie ihr hohläugiges Gesicht im Spiegel betrachtet hatte, putzte sie sich die Zähne und stieg schnell für fünf Minuten unter die Dusche, um sich den Schmutz der Stadt abzuwaschen. Ihr zitronengelbes, oberschenkellanges Nachthemd und der dunkelblaue Bademantel hingen an einem Haken an der Tür. Sie zog beides an und verließ das Bad.
Im Wohnzimmer, fünf Meter von ihr entfernt, lag ein weißblonder Wolf, den Kopf auf die Pfoten gebettet, und beobachtete die Badezimmertür.
Ihr stockte der Atem.
Er war riesig, gut und gern doppelt so groß wie ein normaler Wolf, mit schweren Muskeln an Brust und Rumpf und langen, kräftig aussehenden Beinen. Seine Augen waren genauso eisig hellblau wie in seiner Menschengestalt. Während Alice den Wolf anstarrte, wedelte dieser leicht mit dem Schwanz. Trotz seines wilden Erscheinungsbilds und seiner einschüchternden Größe schaffte er es irgendwie, zurückhaltend zu wirken.
In ihrem Kopf sagte Gideon: Ich hielt es für eine gute Idee, dass du den Wolf auf diese Weise kennenlernst, bevor du schlafen gehst. Ich wollte dich nicht erschrecken, wenn du heute Nacht aufwachst. Wenn es nicht okay für dich ist, muss ich nicht in dieser Gestalt bleiben.
Okay? Er war das Schönste, was sie je gesehen hatte – und das Gefährlichste. Sie fiel auf die Knie und streckte die Hand aus. »Du bist traumhaft schön«, sagte sie zu dem Wolf. »Du könntest nicht perfekter sein.«
Die Augen des Wolfs hellten sich auf. Er stand auf – gütige Nacht, er wurde immer und immer größer – und tappte langsam auf sie zu. Sie erkannte, dass er ihr Zeit geben wollte, ihre Meinung zu ändern.
Sie änderte sie nicht. Sobald er in ihrer Reichweite war, fuhr sie mit der Hand behutsam durch sein dichtes Fell. Es fühlte sich weich und üppig und elastisch unter ihrer Handfläche an. Mit seitlichen Schritten kam er näher, beschnupperte ihre Hand und leckte ihr mit so offener Zuneigung die Finger, dass sie vor Überraschung und Freude wieder lachen musste.
Sie machte sich noch ein Geschenk, warf alle Vorsicht über Bord und umarmte ihn. Behutsam verlagerte er das Gewicht, um sich an sie zu schmiegen – nur ein klein wenig, nicht zu viel –, und legte den Kopf auf ihre Schulter. Sie rieb das Gesicht an seinem Fell. Er strahlte Wärme ab wie ein Heizkörper. Seine große, warme Gegenwart füllte Stellen in ihr aus, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie leer gewesen waren.
»Danke, dass du hierbleibst«, flüsterte sie.
Ich möchte nirgendwo anders sein, sagte er leise, dann rieb er seine Nase an ihr. Geh jetzt schlafen. Du bist in Sicherheit.
Etwas, das sich tief in ihrem Inneren verkrampft hatte, löste sich. Sie drückte sich an seinen kraftvollen, stämmigen Leib und nickte. Dann stand sie auf, strich dem Wolf ein letztes Mal zärtlich über den Kopf und ging in ihr dunkles Schlafzimmer, um ins Bett zu kriechen.
Vor Erschöpfung drehte sich alles um sie, als ihr Kopf das Kissen berührte. Sie hörte die leisen Geräusche, mit denen sich Gideon in der Wohnung bewegte, und wusste, dass er Fenster und Türen überprüfte.
Sie glaubte, der Wolf wäre in ihr Zimmer getappt und hätte mit seiner kalten Schnauze den Zeigefinger ihrer vom Bett herabhängenden Hand berührt, aber vielleicht hatte sie da auch schon geträumt. In ihrem Traum legte der Wolf den Kopf auf ihre Bettkante und sah sie so hingebungsvoll an, wie sie es bis zu diesem Tag nicht für möglich gehalten hätte. Dann knipste jemand alle Lichter in ihrem Kopf aus, und sie schlief.
Aufzuwachen war nicht angenehm. Es kam schnell und heftig. Mit feuchtkalter Haut
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