Das Herz des Wolfes (German Edition)
des Kästchens, das er in der Hand hielt. »Ich habe mich Hals über Kopf verliebt und am Ende viel zu viel dafür bezahlt. In diesem Jahr habe ich sehr oft Käsemakkaroni gegessen.«
Vorsichtig legte er das Kästchen auf den Boden und richtete seine Aufmerksamkeit auf Alice.
»Das Primär-Tarot besteht aus neunundvierzig Karten«, sagte sie. »Die großen Arkana in diesem Tarot sind die sieben Götter in ihren Hauptaspekten – das, was die meisten von ihnen kennen.« Sie legte die erste Karte auf den Boden und benannte sie. »Taliesin, die Gottheit des Tanzes, ist die Erste unter den Primärmächten, weil alles sich in einem Tanz bewegt, die Planeten und sämtliche Sterne, die anderen Götter und auch wir selbst. Tanz ist Veränderung, und das Universum ist ständig in Bewegung. Dann haben wir Azrael, den Gott des Todes; Inanna, die Göttin der Liebe; Nadir, die Göttin der Tiefen oder des Orakels – der Legende zufolge war es Nadir, von der die Alten Völker das Tarot bekamen.«
»Wann soll das gewesen sein?«, fragte er.
»Etwa im dritten Jahrhundert, zumindest stammt das älteste bekannte Primär-Tarot aus dieser Zeit. Dann gibt es Will, den Gott der Gaben, Camael, die Göttin des Herdes, und Hyperion, den Gott des Gesetzes.«
Eingehend betrachtete er jede Karte, die sie auslegte. Die berühmten grünen Augen des Todes, die sieben königlichen Löwen vor Inannas Streitwagen, das dunkle Gefühl von Weite, das in den Sternen in Nadirs Blick eingefangen war. Die Karten waren packend, aber nicht direkt schön. Dafür weckten sie zu großes Unbehagen.
Er murmelte: »Diese Karten wurden von jemandem mit wahrer magischer Energie benutzt.«
»Ich glaube, das war die Person, die sie hergestellt hat«, sagte Alice. »Die übrigen Karten sind die kleinen Arkana. Die Götter haben ihre Hauptaspekte und zusätzlich eine Reihe von Nebenaspekten. Azrael zum Beispiel: Sein Hauptaspekt ist der Tod, aber im Tarot hat er sechs weitere untergeordnete Aspekte, er ist auch der Gott der Regeneration und der grünen Gewächse, und man kennt ihn als Jäger. Außerdem ist er das Tor oder der Übergang. Siehst du?«
»Ja.« Gegen seinen Willen wurde Gideon von der Faszination erfasst.
»Bei Inanna ist es einfach, ihre Nebenaspekte sind die Manifestationen der Liebe – romantisch, platonisch und so weiter – und auch das Gegenteil der Liebe, nämlich Gleichgültigkeit. Taliesins Hauptaspekt ist der Tanz, die Veränderung, aber da ist auch der Stillstand, die Pausen zwischen den Takten. Zu Wills Nebenaspekten gehören der Rumtreiber oder der heilige Fremde, das Opfer, aber auch die Gier.« Während sie sprach, legte sie die kleinen Arkana in Reihen unter den großen Arkana aus, sechs unter jeder Karte, bis alle neunundvierzig Karten auf dem Boden lagen. »Camael ist sowohl der heilige Narr als auch die alte Weisheit, und Hyperion ist zwar das Gesetz, kann aber auch der Betrüger sein.«
»Und wo kommen die Vier und die Zwei ins Spiel?«, fragte er.
»Bei den Legesystemen.« Sie nahm die Karten auf und mischte sie flüchtig. »Für das Primär-Tarot werden drei klassische Legesysteme verwendet, aber eigentlich ist es nur das eine, ursprüngliche System, dem in den anderen beiden Varianten zusätzliche Details hinzugefügt wurden. Alle anderen Legesysteme sind einige Zeit nach den ersten drei entstanden oder erfunden worden. Normalerweise sollten die Karten von der Person gemischt und ausgelegt werden, für die sie gelegt werden. Die erste Karte heißt Prim, sie steht für die treibende Kraft oder den wichtigsten Einfluss im Leben der Person zum Zeitpunkt des Kartenlegens. Manchmal wird sie auch die Schlusssteinkarte dieses Legesystems genannt. Die Deutung aller anderen Karten hängt immer von dieser einen Karte ab.«
Sie zog eine Karte und legte sie auf den Boden. Beide starrten in die smaragdgrün gemalten Augen Azraels.
Der Todesgott.
»Also das hat jetzt einen stärkeren Bezug zum heutigen Tag, als mir lieb ist«, murmelte sie. »Das System besteht aus drei Reihen, der Prim, der Sekunde und der Terz, und es ist relevant, ob die Karte richtig herum oder auf dem Kopf liegt. Der obere Bereich ist das, worauf du hinarbeitest, entweder ein Ziel oder ein ungeahntes Ereignis. Der untere Bereich zeigt, woher du kommst. Auf der rechten Seite sind negative Einflüsse, auf der linken positive. Die beiden obersten Karten schließlich beziehen sich auf die Zukunft.« Nachdem sie die letzte Karte abgelegt hatte, sah sie Gideon an.
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