Das Herz des Wolfes (German Edition)
verließ. Bei ihrem Gespräch war seine magische Energie schlagartig scharf und hitzig aufgewallt, während sein Gesicht und sein Verhalten soldatenhaft ruhig geblieben waren. Sie musste etwas gesagt haben, das sein Interesse geweckt hatte, womöglich sogar sehr stark, doch er hatte es nicht für angebracht gehalten, ihr zu verraten, was es war.
Dadurch fühlte sie sich nicht verletzt. Sie war bereit zu warten und herauszufinden, warum er so verschlossen geworden war.
Sie hätte nur gern gewusst, was es gewesen war.
Gideon hob seine Sachen auf – Pistole, Kleider, Kulturbeutel und Handy. Er eilte ins Bad, schloss die Tür und drehte die Dusche auf. Sobald das Wasser lief, drückte er die Schnellwahltaste für Bayne.
Er nahm beim ersten Klingeln ab. »Was gibt’s?«
»Wo ist Schaffer?«, fragte Gideon.
»Alex Schaffer? Seinen Bewachern zufolge ist der letzte Stand, dass er sich gesund und munter in seiner Wohnung aufhält. Bis auf die drei Vermissten und die, von denen wir wissen, dass sie es nach Arizona geschafft haben, sind alle Chamäleons zu Hause. Warum?«
»Ich weiß es nicht«, knurrte er. »Er kommt nur immer wieder zur Sprache, das hat mein Interesse geweckt.« Schnell berichtete er Bayne von dem Gespräch mit Alice. »Wir müssen alle Chamäleons noch einmal befragen. Alice sagte, Schaffer habe Welch und Rogers angeboten, sie zum Flughafen zu fahren. Sie selbst hat sich auch angeboten, aber dass sie nicht gefahren ist, wissen wir.«
Bayne fluchte. »Wir haben alle Chauffeurdienste angerufen, um herauszufinden, ob die Rogers irgendwo eine Fahrt gebucht hatten.«
Mit einer Hand hielt Gideon sich das Handy ans Ohr, während er mit der anderen seine Jeans öffnete und auszog. Eine Sechzig-Sekunden-Dusche, keine Rasur. In weniger als fünf Minuten konnte er mit Alice aus dem Haus sein. Er sagte zu Bayne: »Wir haben uns auf die Chamäleons als Opfer konzentriert. Aber einer von ihnen könnte auch der Täter sein.«
Alice schob die Wohnzimmermöbel wieder an ihren Platz. Eben rückte sie den Tisch vor der Couch zurecht, als jemand an der Tür klopfte. Es war ein leises, zaghaftes Klopfen, das sie beinahe aus der Haut fahren ließ.
Ihr Herz schlug noch immer heftig, als sie zur Tür ging, um das Außenlicht einzuschalten und durch das Schlüsselloch zu spähen.
Draußen stand Alex in einem schwarzen Wollmantel und dickem Schal, die Hände unter die Arme gesteckt und die Schultern nach vorn gebeugt, um sich gegen den peitschenden Wind, Schnee und Eis zu schützen. Er war ein ruhiger, unaufdringlich aussehender Mann Anfang sechzig mit grauem Haar und höher werdender Stirn. Normalerweise wirkte er äußerst gepflegt, doch jetzt sah er ausgezehrt und so unglücklich aus, dass Alice unwillkürlich die Tür entriegelte und öffnete.
»Alex, was um alles in der Welt machst du hier?«, fragte sie.
Mit traurigem Blick sah er sie an. »Ich habe dich nicht geweckt, oder? Die ganze Nacht habe ich mir Sorgen um dich gemacht, und schließlich bin ich hergekommen, um zu sehen, ob es dir gut geht.«
»Um Himmels Willen, komm rein.« Sie trat zurück und hielt die Tür weit auf.
Alex zog den Kopf ein und kam auf sie zu. Der Wind blies die Stufen hinunter und fegte durch die Tür. Er trug den Geruch von Schnee und der Außenwelt mit sich herein – und eine schwache chemische Note … aber überhaupt keinen Geruch von Alex.
Ihre Gedanken standen still, taumelnd wich sie zurück. Unsinnigerweise versuchte sie, die Tür wieder zu schließen.
Alex stürzte sich auf sie und nahm die Hände unter den Armen hervor. Er trug Handschuhe. Ein Lichtschimmer fing sich auf dem langen, dünnen Messer, das er mit einer Hand umklammerte, während er mit der anderen die Tür weit aufstieß.
»O gütige Götter«, sagte sie.
In Alex’ Blick brannte ein fanatisches Feuer. »Genau, Alice. O ihr Götter . Und Abraham sprach zum Herrn: ›Siehe, hier bin ich.‹ Es ist das heiligste Opfer, dem Herrn jene zu geben, die man liebt. Und der Herr sprach: ›Ich habe bei mir selbst geschworen, dass ich deinen Samen segnen und mehren will wie die Sterne am Himmel …‹«
Ziellos versuchte sie, irgendetwas zu fassen zu kriegen, während sie schrie: »Du krankes, mordendes Schwein!«
Nebenan hörte sie das Splittern von Holz.
Alex hatte mit dem Messer zum tödlichen Hieb ausgeholt. »Zeigt mir euren Willen, Götter, wenn ich euch noch eine der Meinen opfere …«
Sie schleuderte den Gegenstand nach ihm, den sie gerade blindlings
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