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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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hab bloß einen
besseren Blick fürs Detail als fürs große Ganze.« Sie stellte den CD-Player ab,
der die Zauberflöte spielte. »Ian hat gesagt, ich soll Ausschau nach Ihnen halten. Und -
oh nein!« Ihre Augen huschten in eine Ecke des Raumes, wo einsam und verlassen
ein Stapel Bauklötze lag. »Ihnen sind nicht zufällig zwei Teufelsbraten
begegnet, als Sie reingekommen sind?«
    »Nein...«
    »Kein gutes Zeichen.« Sie lief an mir
vorbei in die Küche und riss die Tür zu einer Vorratskammer auf. Zwillinge -
ich schätzte sie auf etwa vier Jahre - waren damit beschäftigt, Erdnussbutter
auf dem weißen Linoleum zu verteilen.
    »Herrje«, seufzte Mariah, als die beiden
Gesichter sich ihr zuwandten wie Sonnenblumen.
    »Du hast gesagt, wir dürften mit den
Fingern malen«, sagte einer der Jungs.
    »Mit Fingerfarben, nicht mit Essen, und
schon gar nicht auf dem Fußboden!« Sie blickte mich an. »Ich würde Sie zu ihm
führen, aber -«
    »Das ist schon in Ordnung, Sie müssen
sich um zwei Nachwuchskünstler kümmern!«
    Sie lächelte. »Ian ist in der Scheune;
gehen Sie einfach rüber.« Sie zog die Jungen hoch und zeigte auf die Spüle.
»Und ihr zwei«, sagte sie, »wascht euch gründlich, und dann geht ihr Daddy
quälen.«
    Ich ließ sie mit den Zwillingen allein
und ging den Weg zur Scheune hinunter. Kinder zu haben war mir nicht vorherbestimmt
- das wusste ich. Die Liebe eines Priesters zu Gott war so umfassend, dass sie
jedes noch so große menschliche Sehnen nach einer Familie überdecken sollte -
Jesus war für mich Eltern, Brüder, Schwestern und Kinder, alles zusammen.
Allerdings, wenn das Thomasevangelium recht hatte und wir Gott eher ähnlich waren als unähnlich, dann
hätte eigentlich jeder Kinder haben müssen. Schließlich hatte Gott einen Sohn,
und er hatte auf ihn verzichtet. Alle Eltern würden diese Seite Gottes besser
verstehen als ich.
    Als ich mich der Scheune näherte, hörte
ich ausgesprochen unheilige Geräusche - es klang wie das Wehklagen einer Katze.
Ich riss die Tür auf und sah Fletcher, wie er einem jungen Mädchen zuschaute,
das Geige spielte.
    Und zwar richtig schlecht.
    Sie nahm die Geige vom Kinn und stützte
sie sich auf ihre Hüfte. »Ich versteh nicht, warum ich in der Scheune üben
muss.«
    Fletcher zog sich ein Paar
Schaumstoffstöpsel aus den Ohren. »Was hast du gesagt?« Sie verdrehte die
Augen.
    Fletcher zögerte. »Du weißt, dass ich
dich lieb habe, nicht?« Das Mädchen nickte. »Also, ich will es mal so
ausdrücken, wenn Gott heute hier in der Scheune war, dann hat Er bei deinem
letzten Stück bestimmt schreiend Reißaus genommen.«
    »Die Prüfungen fürs Orchester sind
morgen«, sagte sie. »Was soll ich bloß machen?«
    »Auf Flöte umsteigen?«, schlug Fletcher
vor, doch dabei legte er einen Arm um das Mädchen und drückte sie an sich. Als
er sich umdrehte, sah er mich. »Ah. Sie müssen Michael Wright sein.« Er
schüttelte mir die Hand und stellte das Mädchen vor. »Das ist meine Tochter Faith.«
    Auch Faith gab mir die Hand. »Haben Sie
gehört, wie ich gespielt hab? Bin ich wirklich so schlecht, wie Dad sagt?«
    Ich zögerte, und Fletcher kam mir zu
Hilfe. »Schätzchen, bring den Priester nicht in die Situation, lügen zu müssen
- dann vertut er den ganzen Nachmittag mit Beichten.« Er grinste Faith an.
»Ich glaube, du bist dran, auf die höllischen Teufelszwillinge aufzupassen.«
    »Nein, du bist dran, das weiß ich ganz
genau. Ich hab schon den ganzen Morgen auf sie aufgepaßt, als Mom gearbeitet
hat.“
    »Zehn Mäuse«, sagte Ian. »Zwanzig«,
entgegnete Faith.
    »Abgemacht«, sagte er, woraufhin Faith
ihre Geige einpackte. »Auf Wiedersehen«, sagte sie zu mir und verschwand aus
der Scheune.
    »Sie haben eine reizende Familie«, sagte
ich zu Fletcher.
    Er lachte. »Der Schein kann trügen. Einen
Nachmittag mit Kain und Abel zu verbringen ist eine völlig neue Form von Empfängnisverhütung.«
    »Heißen die beiden wirklich -?«
    »Nein, keine Sorge«, sagte Fletcher
schmunzelnd. »Aber so nenn ich sie, wenn Mariah mich nicht hört. Kommen Sie,
wir gehen in mein Büro.«
    Er ging voraus, vorbei an einem Generator
und einer Schneefräse, zwei verlassenen Pferdeboxen und durch eine Kiefernholztür.
Dahinter befand sich zu meiner Überraschung ein gemütlich eingerichteter Raum
mit holzverkleideten Wänden und Bücherregalen bis zur Decke. »Ich muss
gestehen«, sagte Fletcher, »katholische Geistliche rennen mir sonst nicht die
Tür ein. Sie machen nicht

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