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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Wort, das für die Freilassung
von Sklaven benutzt wurde.«
    »Und wie erlangten die Menschen dieses
Geheimwissen?«
    »Da liegt der Hund begraben«, sagte
Fletcher. »Im Unterschied zu dem, was die Kirche vertrat, konnte es nicht
gelehrt werden. Es ging nicht darum, sich sagen zu lassen, was man glauben sollte,
sondern darum, es selbst herauszufinden. Man musste in sich hineinhorchen, die
menschliche Natur und ihre Bestimmung begreifen, und wenn einem das gelungen
war, erkannte man das Geheimnis - dass wir Göttlichkeit in uns haben, wenn wir
bereit sind, sie zu suchen. Und der Weg war für jeden anders.«
    »Das hört sich eher buddhistisch an als
christlich.«
    »Sie selbst nannten sich Christen«,
stellte Fletcher richtig. »Doch Irenaus, der damalige Bischof von Lyon, sah das
anders. Für ihn bestanden drei große Unterschiede zwischen orthodoxem
Christentum und Gnostizismus. In gnostischen Texten lag der Schwerpunkt nicht
auf Sünde und Reue, sondern auf Illusion und Erleuchtung. Im Unterschied zur
orthodoxen Kirche konnte man nicht einfach Mitglied werden - man musste erst
seine spirituelle Reife unter Beweis stellen. Und - das war dem Bischof
vermutlich der größte Dorn im Auge - die Gnostiker verstanden Jesu Auferstehung
nicht wörtlich. Für sie war Jesus nie wirklich Mensch geworden - er war bloß in
menschlicher Gestalt erschienen. Aber das war für die Gnostiker nur Formsache,
weil sie im Gegensatz zu den orthodoxen Christen keine Kluft zwischen dem
Menschlichen und dem Göttlichen sahen. Jesus war für sie kein einzigartiger
Erlöser - er war ein Lenker, der einem Menschen half, sein individuelles
spirituelles Potenzial zu finden. Und wenn man das erreicht hatte, wurde man
nicht von Christus erlöst - man wurde selbst ein Christus. Oder mit anderen
Worten: Man wurde Jesus ebenbürtig. Gott ebenbürtig.«
    Es war einleuchtend, warum das im
Priesterseminar als Häresie eingestuft worden war: Die Grundlage des
Christentums war nun mal, dass es nur einen Gott gab und dieser Gott sich so
sehr vom Menschen unterschied, dass der Weg zu ihm einzig und allein über Jesus
führte. »Die größten Häresien sind die, die der Kirche Todesangst einjagen.«
    »Vor allem, wenn die Kirche gerade in
einer Identitätskrise steckt«, sagte Fletcher. »Sie wissen doch sicherlich,
dass Irenaus die orthodoxe christliche Kirche einen wollte - indem er herausfand,
wer ein wahrer Gläubiger war und wer nur so tat als ob. Wer das Wort Gottes
sprach und wer... na ja... nur Worte sprach.«
    Auf einen Notizblock schrieb Fletcher
GOTT = WORT = JESUS, dann drehte er ihn herum, damit ich es sehen konnte. »Irenaus
dachte sich dieses kleine Glanzstück aus. Er sagte, wir können nicht göttlich
sein, weil Jesu Leben und Tod ganz anders waren als bei irgendeinem Menschen -
und das wurde der Beginn des orthodoxen Christentums. Was nicht in diese
Gleichung paßte, galt als ketzerisch - wer Gott nicht richtig verehrte, gehörte
nicht dazu. Ein bisschen wie eine frühe Form der Realityshow, wenn man so will:
Wer hatte die reinste Form des Christentums? Er verdammte diejenigen, die
kreativ mit ihrem Glauben umgingen, wie Markus und seine Anhänger, die
prophetisch sprachen und Visionen von einer weiblichen Gottheit hatten,
gekleidet in die Buchstaben des griechischen Alphabets. Er verdammte die
Gruppen, die auf nur ein einziges Evangelium schworen - wie die Ebioniten, für
die Matthäus zentrale Bedeutung hatte, oder die Marcioniten, die nur das
Lukasevangelium lasen. Genauso schlimm waren solche Gruppen wie die Gnostiker,
die zu viele Texte hatten. Statt dessen legte Irenaus die vier Evangelien von
Matthäus, Markus, Lukas und Johannes als die Eckpfeiler dessen fest, was man
glauben sollte -«
    »- weil alle vier die Leidensgeschichte
Christi enthielten... was die Kirche brauchte, damit die Eucharistie Sinn
machte.«
    »Richtig«, sagte Fletcher. »Dann wandte
Irenaus sich an alle, die sich nicht entscheiden konnten, welche christliche
Gruppe für sie die richtige war. Im Kern sagte er: >Wir wissen, wie schwer
es ist zu durchschauen, was wahr ist und was nicht. Wir werden es euch deshalb
leicht machen und euch sagen, was ihr glauben sollt.< Wer das glaubte, war
ein wahrer Christ, wer das nicht glaubte, war keiner. Und das, was die Leute
nach Irenaus' Vorgaben glauben sollten, wurde Jahre später die Grundlage für
das Nizäische Glaubensbekenntnis.«
    Jeder Priester wusste, dass das, was wir
im Seminar behandelten, katholisch eingefärbt

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