Das Herz ihrer Tochter
und
eine geschäftige Küche auf einer Seite. Die Oberkellnerin hatte eine rauchige,
einschmeichelnde Stimme, und sie begrüßte Dr. Gallagher mit dem Vornamen.
Christian.
Da wir beide in puncto Etikette auf
diesem Gebiet unsicher waren, hielten wir es für taktvoller, bis zum Hauptgang
zu warten, ehe wir uns dem Thema Hinrichtung widmeten.
Der Raum, in dem wir saßen, hatte nur
sechs Tische, die von den Tischtüchern bis zu den Gläsern unterschiedlich
gedeckt waren; Kerzen brannten in alten Weinflaschen. An der Wand hingen
Spiegel in allen Formen und Größen - meine ganz persönliche Version des
neunten Höllenkreises -, aber ich nahm sie so gut wie gar nicht wahr. Statt
dessen trank ich Wasser und Wein und tat so, als wollte ich mir den Appetit
nicht mit dem noch warmen Brot verderben, das zusammen mit Olivenöl zum Tunken
serviert worden war - oder mit dem Gespräch über Shays Hinrichtung.
Christian lächelte mich an. »Ich hab mir
immer vorgestellt, dass ich eines Tages darüber nachdenken würde, wie man es am
besten anstellt, sein Herz zu verlieren, aber ich muss zugeben, ich hab das
damals nicht so wörtlich gemeint.«
Der Ober brachte unser Essen. Die
Speisekarte war voller Köstlichkeiten gewesen: vietnamesische Bouillabaisse,
Schnecken-Tortellini, Chorizo-Klöße. Schon allein bei den Beschreibungen lief
mir das Wasser im Mund zusammen: hausgemachte
Petersilienpasta mit frischen Artischockenherzen, gebackene Auberginen,
verschiedene Käse und süß eingelegte rote und gelbe Paprika an einer Sauce aus
sonnengetrockneten Tomaten. Hähnchenfilets und Parmaschinkenröllchen gefüllt
mit frischem Spinat, Asiago und süßen Zwiebeln an frischen Fettuccine und einem
Tomaten-Marsala-Fond. Gebratenes Entenbrustcarpaccio, serviert mit Kirschsauce
und Pfannkuchen aus wildem Reis.
In der verzweifelten Hoffnung, ich könnte
Christian vorgaukeln, meine Taille wäre gar nicht so umfangreich, wie sie
aussah, hatte ich schwer geschluckt und nur eine Vorspeise bestellt. Ich hatte
inständig gehofft, Christian würde die geschmorte Lammkeule oder das Steak mit
Pommes bestellen, damit ich ihn bitten könnte, mich mal kosten zu lassen, doch
als ich erklärte, ich sei gar nicht so hungrig (eine faustdicke Lüge), sagte
er, er sei auch mit einer Vorspeise zufrieden.
»Wenn ich das richtig sehe«, sagte
Christian, »würde der Häftling so gehängt, dass die Halswirbelsäule an den
Wirbeln C2 und C3 bricht, was die Spontanatmung zum Stillstand bringt.«
Ich gab mir alle Mühe, ihm zu folgen.
»Sie meinen, er bricht sich das Genick, und es kommt zum Atemstillstand?«
»Richtig.«
»Dann ist er also hirntot?«
Ein Pärchen am Nebentisch warf mir einen
Blick zu, und ich begriff, dass ich zu laut gesprochen hatte. Dass manche Leute
Tod und Abendessen lieber getrennt hielten.
»Na ja, nicht ganz. Es dauert eine
gewisse Zeit, bis anoxische Veränderungen im Gehirn zu einem Verlust der
Reflexe führen. Mithilfe dieser Reflexe werden die Hirnstammfunktionen überprüft.
Das Problem ist, Ihr Mandant darf nicht allzu lange hängen, sonst bleibt sein
Herz stehen, und dann kommt er als Spender nicht mehr infrage.«
»Also, wie muss es laufen?«
»Das Gericht muss erklären, dass der
Atemstillstand ausreicht, um den Körper aufgrund der wahrscheinlichen Annahme,
dass der Hirntod eingetreten ist, aus der Schlinge zu nehmen und ihn dann zu
intubieren, damit das Herz weiterschlägt, und erst dann den Hirntod zu
überprüfen.«
»Dann ist Intubieren nicht das Gleiche
wie Wiederbeleben?«
»Nein. Es ist vergleichbar mit der
künstlichen Beatmung eines Hirntoten. Es hält die Organe am Leben, aber die
Gehirnfunktion setzt aus, sobald die Wirbelsäule durchtrennt ist und es zur
Hypoxie kommt, egal, wie viel Sauerstoff in den Organismus gepumpt wird.«
Ich nickte. »Wie wird denn dann der
Hirntod festgestellt?«
»Da gibt es einige Methoden. Man überprüft
zum Beispiel, ob Kornealreflexe, Spontanatmung, Würgereflex fehlen, und wiederholt
das Ganze zwölf Stunden später. Aber da in diesem Fall die Zeit drängt, würde
ich einen transkraniellen Dopplertest empfehlen. Dabei wird mit Ultraschall
der Blutfluss durch die Halsschlagadern an der Hirnbasis gemessen. Wenn zehn
Minuten lang kein Blut fließt, kann jemand legal für hirntot erklärt werden.«
Ich stellte mir vor, wie Shay Bourne -
der manchmal kaum einen zusammenhängenden Satz auf die Reihe brachte, der sich
die Fingernägel bis aufs Fleisch abkaute - zum Galgen geführt
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