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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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»Die
Sache hat bloß einen Haken, wir müssen uns recht bald treffen. Der Prozess
meines Mandanten ist in zwei Wochen.«
    »Na, wenn das so ist, Ms Bloom, hol ich
Sie um sieben ab.«
    »Oh - das ist nicht nötig. Wir können uns
im Krankenhaus treffen.«
    »Ja, aber an meinem freien Tag würde ich
gern mal woanders essen als in der Kantine.«
    »Heute ist Ihr freier Tag?« Er hat mich an seinem freien Tag zurückgerufen? »Ach, es geht auch ein andermal.«
    »Sagten Sie eben nicht, die Sache eilt?«
    »Na ja«, sagte ich. »Stimmt.«
    »Dann bleibt es also bei sieben.«
    »Ausgezeichnet«, sagte ich in meiner
besten Gerichtssaalstimme. »Ich freu mich.“
    »Ms Bloom?“
    »Ja?«
    Ich hielt den Atem an, rechnete damit,
dass er die Rahmenbedingungen unserer Verabredung festlegte. Denk bloß nicht,
es steckt mehr dahinter, als es nach außen hin scheint: Das Treffen ist rein
beruflich. Vergiß nicht, du hättest Gott weiß wie viele andere Ärzte fragen
können, selbst welche, deren Augen nicht die Farbe einer mondlosen Nacht haben
und die mit einem hinreißenden britischen Akzent sprechen. Red dir nicht ein,
das ist ein Rendezvous.
    »Ich weiß nicht, wo Sie wohnen.«
     
    Wer mal behauptet hat, Schwarz läßt dich
jünger wirken, hat offenbar nicht die gleichen Klamotten, die in meinem Schrank hängen. Zuerst
probierte ich meine schwarze Lieblingshose an, die nicht mehr meine
Lieblingshose war, weil sie sich nur dann zuknöpfen ließ, wenn ich dauerhaft
den Atem anhielt und nicht vorhatte, das Abendessen im Sitzen einzunehmen. In
dem schwarzen Rollkragenpullover, an dem noch die Etiketten hingen, sah ich
aus, als hätte ich ein Doppelkinn, und das schwarze gehäkelte Bolerojäckchen,
das im Katalog so süß ausgesehen hatte, ließ jede Speckrolle deutlich
hervortreten. Rot, dachte ich. Ich
bin kühn und selbstbewußt. Ich
zog ein blutrotes Seidenmieder an, aber so kühn war ich nun doch wieder nicht.
Ich begutachtete Stolen und Strickjacken und Pullis und Blazer, Glocken- und
Faltenröcke, warf alles nacheinander auf den Boden und begrub gelegentlich den
armen Oliver, wenn er nicht schnell genug weghoppeln konnte. Ich probierte
jedes Paar Hosen an, das ich besaß, und musste mir schließlich eingestehen,
dass mein Hintern gute Chancen hatte, es auf die Liste der Saturnmonde zu schaffen.
Dann stellte ich mich vor den Badezimmerspiegel. »Okay«, sagte ich zu mir. »Du
mußt nicht wie Jennifer Aniston aussehen, um mit jemandem über die beste
Hinrichtungsmethode zu sprechen.«
    Obwohl es vermutlich nicht schaden würde.
    Schließlich entschied ich mich für meine
Lieblingsjeans und eine hellgrüne Tunika, die ich mal für fünf Dollar in einer
asiatischen Boutique erstanden hatte. Ich drehte mir die Haare hoch und
steckte sie mit einem Stäbchen fest, in der Hoffnung, dass es raffiniert und
klassisch aussah statt bloß chaotisch und altmodisch.
    Um Punkt sieben klingelte es an der Tür.
Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel - das Outfit signalisierte
eindeutig leger, ausgeglichen, unverkrampft - und öffnete die Tür: Dr.
Gallagher trug Anzug und Krawatte.
    »Ich kann mich umziehen«, sagte ich
rasch. »Ich wusste nicht, dass Sie mich schick ausführen wollen. Oder dass Sie
mich überhaupt ausführen wollen. Ich meine, was ist das überhaupt für ein
Wort, ausführen. Ich führe mich selbst aus. Und Sie führen sich selbst aus. Wir
fahren bloß im selben Auto.«
    »Sie sehen bezaubernd aus«, sagte er.
»Ich zieh mich immer so an.«
    »An Ihrem freien Tag?«
    »Tja, ich bin nun mal Brite«, erwiderte
er als Erklärung, doch dann lockerte er den Knoten seiner Krawatte, zog sie ab
und hängte sie über die Innenklinke der Haustür.
    »Zu Unizeiten damals, wenn das jemand im
Studentenwohnheim gemacht hat -« Ich stockte, als mir einfiel, was es
bedeutete: Nicht eintreten, weil deine Zimmergenossin gerade flachgelegt wird.
»Es bedeutete: >Bitte nicht stören, ich pauke für eine Prüfung<«
    »Tatsächlich?«, sagte Dr. Gallagher.
»Seltsam. In Oxford hieß das, dein Zimmergenosse hat gerade Sex.«
    »Vielleicht gehen wir besser«, sagte ich
rasch und hoffte, er merkte nicht, dass ich feuerrot anlief oder mit einem
Kaninchen zusammenwohnte oder so breite Hüften hatte, dass sie wahrscheinlich
gar nicht in den Sitz des kleinen Sportflitzers paßten, den er in der Einfahrt
geparkt hatte.
     
    Das Restaurant befand sich in einem alten
Kolonialhaus in Orford. Es hatte Dielen, die unter meinen Füßen schwankten,

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