Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
doch was?«
    Der Kellner schob die Rechnung diskret in
einem Ledermäppchen auf den Tisch. Christian nahm sie heraus. »Meine letzte
Freundin war Tänzerin im Bostoner Ballett.«
    »Oh«, sagte ich schwach. »Dann war sie
bestimmt...« Wunderschön. Anmutig. Gertenschlank.
    Alles, was ich nicht war.
    »Jedes Mal, wenn wir zusammen essen
gingen, kam ich mir vor wie ein ... Vielfraß ... weil ich richtig Appetit hatte
und sie wie ein Spatz aß. Ich glaube, ich hab gedacht - na ja, gehofft -, Sie
wären anders.«
    »Aber ich liebe Schokolade«, platzte ich
heraus. »Und Apfelkrapfen und Kürbiskuchen und Mousse und Tiramisu, und ich
hätte wahrscheinlich diese Speisekarte rauf und runter gefuttert, wenn ich
nicht Angst gehabt hätte, ich würde gefräßig wirken. Ich wollte nur so sein
...« Meine Stimme verlor sich.
    »... wie Sie dachten, sein zu müssen,
damit Sie mir gefallen?«
    Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf die
Serviette auf meinem Schoß. Typisch, da hatte ich mal ein Rendezvous, auch
wenn es eigentlich kein richtiges war, und musste es prompt in den Sand setzen.
    »Und was, wenn Sie mir genau so gefallen,
wie Sie sind?«, fragte Christian.
    Ich hob langsam den Kopf, als Christian
den Kellner noch einmal an unseren Tisch winkte. »Was hätten Sie denn als
Dessert?«, fragte er.
    »Wir haben eine Creme bûlee, eine Tarte
mit frischen Blaubeeren, warme Birne in Blätterteig mit selbst gemachter Eiscreme
und Karamellsoße und meine persönliche Empfehlung«, sagte der Kellner. »French
Toast mit Schokolade und einer dünnen Pekannusskruste, serviert mit Minzeis und
unserer berühmten Himbeersauce.«
    »Was nehmen wir?«, fragte Christian.
    Ich wandte mich an den Kellner. »Könnten
wir vorher noch mal die Karte mit den Hauptgängen haben?«, sagte ich und
lächelte.
    Meine Religion ist
ganz einfach. Wir brauchen keine Tempel; Wir brauchen keine komplizierte
Philosophie. Unser Verstand, unser Herz ist unser Tempel; Güte ist die
Philosophie.

 
    Seine Heiligkeit der 14. Dalai-Lama
     
    JUNE
     
    Obwohl es so schlecht um sie stand,
erzählte ich Ciaire noch nichts von der Aussicht auf ein neues Herz, als sie
nach ihrem Zusammenbruch im Krankenhaus erwachte. Statt dessen schob ich alle möglichen
Gründe vor, wie lange ich damit warten wollte. Bis sie kein Fieber mehr hatte.
Bis sie wieder ein bisschen mehr Energie hatte. Bis wir sicher wußten, dass ein
Richter grünes Licht für die Herzspende gegeben hatte. Je länger ich das Gespräch
hinausschob, desto mehr konnte ich mir einreden, dass Ciaire noch eine Stunde,
einen Tag, eine Woche mehr mit mir hätte, in der sie das Herz bekommen könnte.
    Und unterdessen wurde Ciaire immer
schwächer. Nicht nur körperlich, auch mental. Dr. Wu versicherte mir zwar jeden
Tag, dass sie stabil war, aber ich sah die Veränderungen. Ich sollte ihr nicht
mehr aus Teen People vorlesen. Sie wollte nicht mehr fernsehen. Sie lag auf der Seite und
starrte an die nackte Wand.
    »Ciaire«, sagte ich eines Nachmittags,
»hast du Lust, Karten zu spielen?«
    »Nein.«
    »Wie war's mit Scrabble?«
    »Nein danke.« Sie drehte sich weg. »Ich
bin müde.« Ich strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Ich weiß, Schätzchen.«
    »Nein«, sagte sie. »Ich meine, ich will
das alles hier nicht mehr.«
    »Na komm, wir machen einen Spaziergang -
also, ich mache einen Spaziergang, und du sitzt schön bequem in einem
Rollstuhl, und ich schiebe. Du mußt ja nicht die ganze Zeit im Bett liegen.«
    »Ich werde hier sterben. Das wissen wir
beide. Wieso kann ich nicht nach Hause und da sterben, ohne die ganzen Apparate
hier.«
    Ich starrte sie an. Wo war das Kind
geblieben, das an Feen und Geister und alle möglichen unmöglichen Dinge
geglaubt hatte?
     
    2 89
    Aber wir schaffen das, wir sind doch so
nah dran, wollte ich schon sagen, als
mir klar wurde, dass ich ihr dann von dem Herzen erzählen müsste, das
vielleicht kam oder nicht. Und wem es gehörte.
    »Ich will in meinem eigenen Bett
schlafen«, sagte Ciaire. »nicht in dem hier mit den blöden Plastikunterlagen und
einem Kissen, das immer knistert, wenn ich den Kopf bewege. Ich will Hackbraten
essen, keine Hühnersuppe aus einer blauen Plastiktasse, und Götterspeise -«
    »Du meckerst doch immer, wenn ich
Hackbraten mache.«
    »Ich weiß, und ich will wieder sauer auf
dich sein, weil du welchen gemacht hast.« Sie sank nach hinten und sah mich
an. »Ich will Orangensaft aus der Packung trinken. Ich will einen Tennisball
werfen für meinen

Weitere Kostenlose Bücher