Das Herz ihrer Tochter
Politik steigen andauernd miteinander ins Bett: Vor einer
Zeugenaussage in einem Gerichtsprozess schwören wir auf die Bibel; an
öffentlichen Schulen sprechen wir vor dem Unterricht den Fahneneid, der uns zu
einer Nation unter Gott erklärt; sogar auf unseren Geldscheinen steht, dass wir
auf Gott vertrauen: In
God We Trust. Man sollte meinen,
dass das gerade einer engagierten ACLU-Anwältin wie mir grundsätzlich stinken
müsste, aber nein. In der halben Stunde, die ich unter der Dusche stand, und
während der zwanzigminütigen Fahrt zum Bundesgericht in der Innenstadt
zermarterte ich mir das Hirn, wie ich die Religion am besten in einen Gerichtssaal
brachte.
Möglichst ohne die religiösen Gefühle des
Richters zu verletzen.
Auf dem Parkplatz rief ich meine Mutter
im ChutZpah an, und sie meldete sich auf Anhieb.
»Was ist Haig eigentlich für ein Name?«
»Haig wie der General?«
»Ja.«
»Könnte deutsche Wurzeln haben«,
überlegte sie. »Keine Ahnung. Warum?«
»Mir geht's um eine mögliche
Religionszugehörigkeit, und ich dachte, du kannst mir helfen.«
»Weil du glaubst, ich beurteile Menschen
nach ihrem Nachnamen?«, sagte meine Mutter.
»Geht es auch mal ohne Unterstellungen?
Ich wollte es bloß wissen, weil ich gleich zu dem Richter gehe, der in Shay
Bournes Fall den Vorsitz hat, damit ich mir zurechtlegen kann, was ich ihm
erzähle.«
»Ich dachte, Richter seien unparteiisch.«
»Stimmt. Und Miss America wird gekrönt,
um sich für den Weltfrieden starkzumachen.«
»Ich weiß nicht mehr, ob Alexander Haig
Jude ist. Ich weiß nur noch, dass dein Vater ihn mochte, weil er Israel
unterstützt hat...«
»Na, selbst wenn er Jude ist, muss mein
Richter das noch lange nicht sein. Der Name Haig ist nicht so aufschlußreich
wie O'Malley oder Hershkowitz.«
»Dein Vater war mal mit einer Jüdin
namens Barbara O'Malley zusammen, nur zu deiner Information«, sagte meine
Mutter.
»Ich hoffe, bevor er dich geheiratet
hat...«
»Sehr witzig. Ich will damit bloß sagen,
dass deine Theorie nicht hieb- und stichfest ist.«
»Na, sehr viele jüdische O'Malleys wird
es aber nicht geben.«
Meine Mutter zögerte. »Ich glaube, ihre
Großeltern hießen ursprünglich Meyer und haben sich dann umgenannt.«
Ich verdrehte die Augen. »Ich muss
Schluss machen. Egal, was für eine Religion er hat, kein Richter kann es
leiden, wenn ein Anwalt zu spät kommt.«
Meine Sekretärin hatte mich angerufen,
während ich mit Direktor Coyne darüber sprach, wie Shay im Gefängnis besser
geschützt werden könnte - Richter Haig wollte mich schon am nächsten Morgen im
Bundesgericht sehen, gerade mal vier Tage nachdem ich meinen Antrag eingereicht
hatte. Mir hätte klar sein müssen, dass jetzt alles rasend schnell gehen würde.
Shays Hinrichtungsdatum stand bereits fest, klar, dass das Gericht keine Zeit
verschwenden wollte.
Als ich um die Ecke bog, sah ich, dass
Gordon Greenleaf, der Staatsanwalt von der Berufungsabteilung, bereits wartete.
Ich nickte ihm zu und spürte im selben Moment, dass mein Handy in meiner
Handtasche kurz vibrierte, eine SMS.
HAIG
GEGOOGELT - ROM. RATH. LG MOM
Ich steckte das Handy wieder weg. Einen
Moment später tauchte der Gerichtssekretär auf und führte uns in Richter Haigs
Büro.
Der Richter hatte schütteres Haar und den
Körper eines Langstreckenläufers. Ich spähte auf den Kragen seines Hemdes, aber
er trug Krawatte. Darunter konnte er ein Kruzifix tragen, einen Davidstern oder
eine Schnur mit Knoblauch dran, um Vampire abzuwehren. »Also, Herrschaften«,
sagte er, »wer kann mir verraten, warum wir uns heute hier versammelt haben?«
»Euer Ehren«, ergriff ich das Wort, »ich
erhebe Klage gegen den Commissioner der Strafvollzugsbehörde des Staates New
Hampshire, im Namen meines Mandanten Shay Bourne.«
»Ja, danke, Ms Bloom, ich habe Ihren
Schriftsatz bereits von vorn bis hinten atemlos gelesen. Was ich meinte, ist,
dass Mr Bournes bevorstehende Hinrichtung jetzt schon das reinste Tollhaus
ist. Wieso will die ACLU unbedingt noch ein größeres daraus machen?«
Gordon Greenleaf räusperte sich. Mit
seinen widerspenstigen roten Haaren und der meist von irgendwelchen Allergien
geröteten Nase hatte er mich immer schon an Bozo den Clown erinnert. »Reine
Verzögerungstaktik, er will nur das Unvermeidbare hinausschieben, Euer Ehren.«
»Das ist keine Verzögerungstaktik«,
widersprach ich. »Er will lediglich Wiedergutmachung leisten für seine Sünden,
und er glaubt, dass er nur durch
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