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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Hund.«
    Ich zögerte. »Ich kann ja mal mit Dr. Wu
reden«, sagte ich. »Ich wette, er hat nichts dagegen, wenn wir das Bett hier
mit deiner Bettwäsche von zu Hause beziehen und du dein Kopfkissen benutzt...«
    Irgend etwas in Claires Augen erlosch.
»Ach, Vergiß es«, sagte sie, und da wusste ich, dass sie bereits begonnen hatte
zu sterben, ehe ich eine Chance hatte, sie zu retten.
     
    Sobald Ciaire an dem Nachmittag
eingeschlafen war, überließ ich sie den kompetenten Händen des Pflegepersonals
und verließ zum ersten Mal seit einer Woche das Krankenhaus. Ich war erstaunt,
wie sehr sich die Welt verändert hatte. Die Luft war kühl und ließ den Winter
ahnen. Das Laub an den Bäumen hatte begonnen, sich zu verfärben, zuerst der
Zuckerahorn, der schon bald so rot leuchten würde, als stünde der ganze Wald in
Flammen. Mein Auto kam mir fremd vor, wie ein Mietwagen. Und dann der größte
Schock - der Verkehr auf der Straße, die an der Strafanstalt vorbeiführte,
wurde umgeleitet. Langsam folgte ich den Leitkegeln, staunte über die
Menschenmassen hinter der Polizeiabsperrung: SHAY BOURNE WIRD IN DER HÖLLE SCHMOREN, stand auf einem Schild, SATAN
SITZT QUICKLEBENDIG HIER IM KNAST, auf
einem Transparent.
    Als ich die Schilder und Spruchbänder
sah, fragte ich mich unwillkürlich: Konnte man mit solcher Inbrunst an etwas
glauben, dass es tatsächlich passierte? Konnte man mit seinen Gedanken das
Denken von anderen verändern?
    Ich hielt die Augen stur auf die Straße
gerichtet, als ich am Gefängnis vorbeikam, und wollte weiter nach Hause. Doch
mein Auto hatte andere Absichten - es bog nach rechts und dann nach links und
fuhr auf den Friedhof, wo Elizabeth und Kurt begraben waren.
    Ich parkte und ging zu ihrem gemeinsamen
Grab. Es lag unter einer Esche; in dem leichten Wind schimmerten die Blätter
wie Goldmünzen. Ich kniete mich aufs Gras und fuhr mit den Fingern über die Grabinschrift:
    GELIEBTE TOCHTER UNVERGESSENER EHEMANN
    Kurt hatte die Grabstelle ein Jahr nach
unserer Heirat für sich gekauft. Das
ist makaber, hatte ich gesagt, und er
hatte bloß mit den Schultern gezuckt. Schließlich hatte er tagtäglich mit Tod
und Sterben zu tun. Aber
weißt du was?, hatte er hinzugefügt, es ist auch noch Platz für dich, wenn du willst.
    Er hatte mir nichts aufdrängen wollen,
weil er nicht wusste, ob ich vielleicht bei meinem ersten Mann bestattet werden
wollte. Dass er selbst in solchen Dingen taktvoll war - dass er mich selbst
entscheiden lassen wollte, statt mich vor vollendete Tatsachen zu stellen -,
machte mir klar, warum ich ihn liebte. Ich
möchte bei dir sein, hatte ich erwidert.
Ich wollte dort sein, wo mein Herz war.
    Nach den Morden passierte es mir
manchmal, dass ich schlafwandelte. Dann wachte ich am nächsten Morgen an den
unmöglichsten Stellen auf, im Gartenschuppen mit einem Spaten in der Hand oder
in der Garage, das Gesicht gegen das Metall einer Schaufel gelegt. Im
Unterbewußtsein machte ich Pläne, zu meinen Lieben zu gehen, und erst wenn ich
hellwach war und spürte, wie Ciaire mich von innen trat, wusste ich, dass ich
bleiben musste.
    War sie die Nächste, die ich hier
beerdigen würde?, fragte ich mich jetzt. Und wenn das geschehen war, was würde
mich davon abhalten, alles zu einem natürlichen Abschluß zu bringen, meine
ganze Familie wieder zu vereinen?
    Ich streckte mich auf dem Gras aus,
drückte das Gesicht in das stoppelige Moos am Rand des Grabsteins und stellte
mir vor, ich würde Wange an Wange mit meinem Mann liegen. Ich spürte Löwenzahn
zwischen meinen Fingern und stellte mir vor, die Hand meiner Tochter zu halten.
     
    Im Aufzug des Krankenhauses fing meine
Sporttasche plötzlich von selbst an, über den Boden zu rutschen. Ich ging in
die Hocke und öffnete den Reißverschluß. »Braver Hund«, sagte ich und
tätschelte Dudley den Kopf. Ich hatte ihn von meiner Nachbarin abgeholt, die so
nett war, die Pflegemutter zu spielen, während Ciaire im Krankenhaus lag.
Dudley war im Auto eingeschlafen, aber jetzt war er hellwach und wunderte sich
wohl, warum ich ihn in eine dunkle Tasche gesteckt hatte. Als die Türen sich
öffneten, machte ich die Tasche rasch wieder zu, hievte sie hoch und ging dann
mit ihr zum Schwesternzimmer gleich neben Claires. Ich setzte ein möglichst
normales Lächeln auf und fragte die Schwester: »Alles in Ordnung?«
    »Sie schläft wie ein Baby.«
    Genau in dem Augenblick bellte Dudley.
    Die Schwester blickte verdutzt auf, und
ich simulierte ein Niesen.

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