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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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haben«, sagte Maggie. »Sie können Ihre Seele entlasten, nachdem wir Shays Fall
gewonnen haben.«
    »So einfach ist das nicht...«
    »Doch, das ist es, Father Michael. Sie
sind der einzige Leumundszeuge, den wir für Shay haben. Sie sind glaubwürdig,
weil Sie Priester sind. Es interessiert mich nicht, ob Sie und Shay sich
gestritten haben; es interessiert mich nicht, ob Sie nachts als Transvestit
auftreten; es interessiert mich nicht, ob Sie einen Haufen anderer Geheimnisse
haben. Bis zum Prozess lautet die Devise, keine Fragen, keine Geständnisse,
okay? Mich interessiert nur eines, dass Sie Ihren Priesterkragen tragen, in
den Zeugenstand treten und Shay als einen Heiligen hinstellen. Wenn Sie
kneifen, geht der ganze Fall den Bach runter. Hab ich mich klar genug
ausgedrückt?«
    Wenn Maggie recht hatte - wenn allein
meine Aussage Shay helfen konnte -, wie könnte ich ihr dann jetzt etwas
mitteilen, was den Fall ruinieren würde? Eine Unterlassungssünde war verzeihlich,
wenn man dadurch jemandem half. Ich konnte Shay nicht sein Leben zurückgeben,
aber ich konnte dafür sorgen, dass sein Sterben so ablief, wie er es wollte.
    Vielleicht würde das genügen, dass er mir
vergab.
    »Es ist ganz normal, dass Zeugen ein
bisschen kalte Füße bekommen«, sagte Maggie, die mein Schweigen offenbar
fehlinterpretiert hatte.
    Ich sollte vor Gericht in für Laien
verständlichen Worten erläutern, inwiefern es für Shay Ausdruck seiner
spirituellen Überzeugung war, Ciaire Nealon sein Herz zu spenden. Die Aussage
eines Priesters war Maggies Trumpfkarte - wer würde einem Geistlichen in
religiösen Fragen nicht glauben?
    »Und haben Sie keine Angst vor dem
Kreuzverhör«, fuhr Maggie fort. »Sie sagen einfach, dass die Erlösung laut
katholischem Glauben nur durch Jesus Christus zu erlangen ist, dass Shay
jedoch glaubt, die Organspende sei unerläßlich für die Vergebung seiner
Sünden. Das entspricht der Wahrheit, und ich kann Ihnen versprechen, Sie werden
nicht vom Blitz getroffen, wenn Sie das sagen.«
    Mein Kopf fuhr hoch. »Ich kann dem
Gericht nicht sagen, dass Shay Jesus finden wird«, sagte ich. »Ich glaube, er
könnte Jesus sein.«
    Sie blinzelte. »Sie glauben was?«
    Die Worte begannen, nur so aus mir
herauszusprudeln. Wahrheiten, die hervordrängten, ehe ich es überhaupt richtig
merkte. »Es kommt alles genau hin. Alter, Beruf, die Verurteilung zum Tode. Die
Wunder. Und die Herzspende - er opfert sich praktisch für unsere Sünden,
wieder einmal. Er gibt den Teil her, der am unwichtigsten ist - den Körper -,
um im Geiste heil zu werden.«
    »Das ist erheblich schlimmer, als kalte
Füße zu haben«, murmelte Maggie. »Sie sind verrückt.«
    »Maggie, er hat aus einem Evangelium
zitiert, das zweihundert Jahre nach Christi Tod verfaßt wurde - einem
Evangelium, von dessen Existenz die meisten Leute nicht mal wissen. Wortwörtlich.«
    »Ich hab ihn reden gehört, und ehrlich
gesagt, ich finde ihn oft unverständlich. Wissen Sie, was er gestern gemacht
hat, als ich mit ihm seine Aussage durchgesprochen hab? Schiffe versenken
gespielt - mit sich selbst.«
    »Sie müssen zwischen den Zeilen lesen.«
    »Ja, klar. Du meine Güte, Sie sind
katholischer Priester. Was ist denn aus Vater, Sohn und Heiligem Geist
geworden? Soweit ich weiß, gehört Shay nicht der Dreifaltigkeit an.«
    »Was ist mit den vielen Leuten, die vor
dem Gefängnis kampieren? Sind die auch alle verrückt?«
    »Die wollen, dass Shay ihr autistisches
Kind oder ihren an Alzheimer erkrankten Ehemann heilt. Diese Menschen wollen dran glauben, um ihrer
selbst willen«, sagte Maggie. »Die Einzigen, die Shay Bourne für den Messias
halten, sind so verzweifelt, dass sie sonst wo Erlösung finden könnten.«
    »Oder durch eine Herztransplantation?«,
konterte ich. »Sie selbst haben doch eine ganze juristische Theorie
aufgestellt, die auf den religiösen Überzeugungen des Einzelnen basiert. Wie
können Sie dann kategorisch behaupten, dass ich falschliege?«
    »Weil es nicht um richtig oder falsch
geht. Es geht um Leben oder Tod - und zwar den von Shay. Ich würde alles sagen,
was nötig ist, um den Fall für ihn zu gewinnen. Das ist meine Aufgabe. Und es
sollte eigentlich auch Ihre sein. Es geht hier nicht um irgendeine Offenbarung.
Es geht nicht darum, wer Shay vielleicht mal war oder in Zukunft sein wird. Es
geht darum, wer er im Augenblick ist: ein zum Tode verurteilter Mörder, der
hingerichtet werden wird. Es zählt für mich nicht, ob er ein

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