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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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wenn er das Mädchen, das er
eigentlich retten will, trotzdem tötet«, sagte ich. »Und warum bitte schön hat
er seinem Anwalt das alles unterschlagen?«
    »Er sagt, er hat es seinem Anwalt
erzählt, aber der meinte, das würde ihm keiner abkaufen.«
    »Na, bitte«, sagte ich. »Das spricht doch
wohl Bände, oder?«
    »Maggie, Sie kennen Shay. Er sieht nicht
gerade aus wie der liebe Junge von nebenan, und so sah er auch damals nicht
aus. Er hatte die rauchende Pistole praktisch noch in der Hand, als die Polizei
eintraf, und vor ihm lagen ein toter Cop und ein totes kleines Mädchen. Selbst
wenn er die Wahrheit gesagt hat, wer hätte ihm die geglaubt? Wer kommt da als
Kinderschänder eher infrage - der heldenhafte Polizeibeamte und perfekte
Familienvater ... oder der undurchsichtige Vagabund, der im Haus gejobbt hat?
Shay war doch schon verurteilt, noch ehe er den Gerichtssaal überhaupt betrat.«
    »Wieso sollte er die Schuld für die Tat
eines anderen auf sich nehmen?«, hielt ich dagegen. »Wieso hat er elf Jahre
lang geschwiegen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Die Antwort
darauf kenne ich nicht. Aber ich möchte sie herausfinden, und so lange soll er
am Leben bleiben.« Father Michael blickte mir in die Augen. »Sie sagen doch
selbst, das Rechtssystem funktioniert nicht immer für jeden. Es war ein Unfall.
Höchstens Totschlag, aber kein Mord.«
    »Korrigier mich, falls ich falschliege«,
warf Christian ein. »Aber auf Totschlag steht nicht die Todesstrafe, oder?«
    Ich seufzte. »Haben wir irgendwelche
neuen Beweise?«
    Father Michael überlegte kurz. »Er hat es
mir erzählt.«
    »Haben wir irgendwelche Beweise?«, wiederholte
ich.
    Seine Miene hellte sich auf. »Der
Beobachtungsraum wird videoüberwacht«, sagte Michael. »Was er mir erzählt hat,
muss also mitgeschnitten worden sein.«
    »Das ist trotzdem nur eine Bandaufnahme
von einer Geschichte, die er Ihnen erzählt hat«, erklärte ich. »Was anderes
wäre es, wenn Sie mir sagen, übrigens, es gibt da Spermaspuren, die wir mit
Kurt Nealon in Verbindung bringen können ...«
    »Sie sind ACLU-Anwältin. Sie müssen doch
irgendwas tun können...«
    »Juristisch können wir gar nichts tun.
Wir können den Fall nicht wieder aufrollen, es sei denn, wir haben irgendeinen
tollen forensischen Beweis.«
    »Wie war's mit einem Anruf beim
Gouverneur?«, schlug Christian vor.
    Wir beide drehten uns abrupt zu ihm um.
    »Na, so läuft das doch immer im
Fernsehen. Und in den Büchern von John Grisham.«
    »Donnerwetter, du kennst dich ja richtig
gut mit dem amerikanischen Rechtssystem aus«, sagte ich.
    Er zuckte lächelnd die Achseln.
    Ich seufzte und ging zum Eßtisch. Meine
Handtasche breitete sich schlaff darauf aus wie eine Amöbe. Ich fischte mein
Handy heraus, wählte eine Nummer. »Ich hoffe, du hast einen triftigen Grund«,
knurrte mein Boss auf der anderen Seite der Leitung.
    »Tut mir leid, Rufus. Ich weiß, es ist
spät -«
    »Komm zur Sache.«
    »Ich muss Flynn anrufen, es geht um Shay
Bourne«, sagte ich. »Flynn? Mark Flynn? Den Gouverneur? Wieso willst du jetzt
schon das allerletzte Gnadengesuch stellen, wo Haig sich noch gar nicht
entschieden hat?«
    »Shay Bournes Seelsorger hat den
Eindruck, dass er fälschlicherweise schuldig gesprochen wurde.« Ich blickte
auf und sah, dass Christian und Michael mich gespannt beobachteten.
    »Haben wir neue Beweise?«
    Ich schloss die Augen. »Ahm. Nein. Aber
die Sache ist enorm wichtig, Rufus.«
    Wenig später legte ich auf und drückte
Michael die Nummer in die Hand, die ich auf einer Papierserviette notiert
hatte. »Die Handynummer vom Gouverneur. Na los, rufen Sie ihn an.«
    »Wieso ich?«
    »Weil er«, sagte ich, »katholisch ist.“
    »Ich muss weg«, hatte ich zu Christian
gesagt. »Wir sollen sofort ins Büro des Gouverneurs kommen.«
    »Wenn du wüsstest, wie oft ich das schon
von Frauen gehört hab«, sagte er. Und dann, als wäre es das Normalste von der
Welt, küsste er mich.
    Okay, es war ein kurzer Kuß. Und einer,
der problemlos in einen jugendfreien Film gepaßt hätte. Noch dazu vor den Augen
eines Priesters. Aber trotzdem, er wirkte völlig natürlich, als würden
Christian und ich uns schon seit ewigen Zeiten so voneinander verabschieden.
    »Also dann«, sagte ich. »Vielleicht
können wir uns morgen sehen?«
    »Ich hab in den nächsten achtundvierzig
Stunden Bereitschaft«, hatte er leider gesagt. »Montag?«
    Aber Montag musste ich wieder ins
Gericht.
    »Na denn«, sagte Christian. »Ich ruf

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