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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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wir
Gutes tun, wird Gott vollkommener - und wir werden ein wenig mehr wie Gott.
    Soweit ich weiß, versprach Jesus seinen
Gläubigen das Himmelreich - und forderte sie auf, sich durch Liebe und
Wohltätigkeit darauf vorzubereiten. Der Bodhisattwa im Buddhismus gelobt, auf
Erleuchtung zu warten, bis alle, die leiden, befreit worden sind. Und
anscheinend glaubten selbst die längst untergegangenen Gnostiker, dass in uns
allen ein Funke Göttlichkeit steckt. Ich persönlich meine, ganz gleich, welcher
Religion wir anhängen, gute Taten sind die Voraussetzung dafür, unsere Welt zu
verbessern, weil wir so zu besseren Menschen in ihr werden. Und das hört sich
für mich ein wenig nach dem Grund an, aus dem Mr Bourne sein Herz spenden
will.«
    Spielte es wirklich eine Rolle, ob wir
glaubten, dass die Worte in der Bibel oder im Thomasevangelium Jesu Worte
waren? Spielte es eine Rolle, ob wir Gott in einer geweihten Kirche oder in
einer Strafanstalt oder in uns selbst fanden? Vielleicht nicht. Vielleicht
zählte einzig und allein, dass wir niemanden verurteilten, der auf der Suche
nach einem Sinn in seinem Leben einen anderen Weg einschlug.
    »Ich entscheide somit wie folgt: Im Sinne
des Gesetzes, das auch Strafgefangenen das Recht auf freie Religionsausübung
garantiert, ist Shay Bournes Wunsch, seine Organe zum Zeitpunkt seines Todes
zu spenden, die berechtigte und zulässige Folge seiner religiösen Überzeugung«,
verkündete Richter Haig. »Ich befinde des Weiteren, dass die tödliche
Injektion, die als Vollstreckungsmethode für Mr Bournes Hinrichtung festgelegt
wurde, eine wesentliche Einschränkung seiner freien Religionsausübung
bedeutet, und verpflichte den Staat New Hampshire, eine alternative Methode zu
ermöglichen, wie beispielsweise das Erhängen, wodurch eine Organspende
medizinisch durchführbar wird. Die Verhandlung ist geschlossen, und ich bitte
beide Anwälte in mein Büro.«
    Auf den Zuschauerbänken brach ein Tumult
aus, Reporter versuchten hektisch, die Anwälte abzufangen, ehe sie im Richterzimmer
verschwanden, Frauen weinten, Studenten reckten die Fäuste in die Luft, und
ganz hinten im Saal hatte irgendwer einen Psalm angestimmt. Maggie drehte sich
zu mir um und umarmte mich, drückte dann rasch Shay. »Ich muss los«, sagte sie,
und Shay und ich starrten einander nur an.
    »Gut«, sagte er. »Das ist gut.«
    Ich nickte und streckte die Arme nach ihm
aus. Ich hatte Shay nie zuvor umarmt, und ich war richtig erschrocken, wie fest
sein Herz an meiner Brust klopfte, wie warm seine Haut war. »Sie müssen sie
anrufen«, sagte er. »Sie müssen es dem Mädchen sagen.«
    Wie sollte ich ihm bloß erklären, dass
Ciaire Nealon sein Herz nicht wollte?
    »Mach ich«, log ich, die Worte an seiner
Wange wie Judas' Kuß.
     
    MAGGIE
     
    Wenn ich meiner Mutter erzählte, dass
Richter Haig gar kein Katholik war wie Alexander Haig, mit dem sie ihn verwechselt
hatte, sondern Jude, dann würde sie mir mit Sicherheit wieder einen Vortrag
halten, dass auch ich mit Zeit und Ausdauer Richterin werden könnte. Ich
musste zugeben, seine Entscheidung gefiel mir - und nicht bloß, weil sie
zugunsten meines Mandanten ausgefallen war. Seine Worte waren wohlüberlegt
gewesen, unvoreingenommen, ganz anders, als ich erwartet hatte.
    »Also«, sagte Richter Haig, »jetzt, wo
keine Kamera auf uns gerichtet ist, reden wir mal Tacheles. Wir wissen alle,
dass es in diesem Prozess nicht um Religion ging, obwohl Sie einen hübschen
juristischen Aufhänger für Ihre Klage gefunden haben, Ms Bloom.«
    Mein Mund klappte auf und wieder zu. Von
wegen wohlüberlegt und unvoreingenommen. Richter Haigs Spiritualität gehörte
anscheinend zu der Sorte, die sich nur dann zeigte, wenn die richtigen Leute
zuschauten.
    »Euer Ehren, ich bin fest davon
überzeugt, dass es meinem Mandanten um seine Religionsfreiheit -«
    »Das glaube ich Ihnen gern«, fiel der
Richter mir ins Wort. »Aber jetzt kommen Sie mal runter von Ihrem hohen Ross,
damit wir die Sache regeln können.« Er wandte sich an Gordon Greenleaf. »Will
die Staatsanwaltschaft meine Entscheidung wirklich anfechten wegen
hundertzwanzig Dollar?«
    »Vermutlich nicht, Euer Ehren, aber ich
muss nachfragen.«
    »Dann erledigen Sie das Telefonat
sofort«, sagte Richter Haig, »da draußen wartet nämlich eine Familie, die ein
Recht darauf hat zu wissen, was passieren wird und wann es passieren wird. Sind
wir uns da einig?«
    »Jawohl, Euer Ehren«, antworteten wir im
Duett.
    Sobald wir auf

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