Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
konnte, schob er den breiten
Schalkragen meines Bademantels in einer einzigen raschen Bewegung hinunter bis
zu den Ellbogen, und meine aufgeknöpfte Bluse gleich mit. Meine Arme waren
gefangen; ich stand in Unterwäsche vor ihm. »Schau dich an, Maggie«, sagte er
mit leiser Ehrfurcht. »Mein Gott.«
    Ich konnte mich nicht im Spiegel sehen,
daher sah ich statt dessen Christian an. Er betrachtete keinen Busen, der nicht
mehr der straffste war, oder eine Taille, die zu dick war, oder Oberschenkel,
die im Gehen aneinanderrieben. Er blickte einfach nur mich an, und während er
das tat, begannen seine Hände zu zittern, als sie mich berührten.
    »Lass mich dir zeigen, was ich sehe, wenn
ich dich anschaue«, sagte Christian leise. Seine Finger waren warm, als sie auf
mir spielten, als sie mich ins Schlafzimmer und unter die Decke lockten, als
sie über die Wölbungen meines Körpers glitten wie eine Berg-und-Tal-Fahrt, eine
Achterbahn, ein Wunder. Und irgendwann mittendrin dachte ich nicht mehr daran,
den Bauch einzuziehen oder mich zu fragen, ob er mich im Dämmerlicht des
Mondes sehen konnte, und merkte statt dessen, wie nahtlos wir zusammenpassten,
dass, wenn ich mich losließ, nur noch Platz für uns da war.
    Wow.
    Als ich die Augen aufschlug, durchschnitt
die Sonne das Bett wie ein Skalpell, und jeder Muskel meines Körpers fühlte
sich an, als hätte ich zum ersten Mal für einen Triathlon trainiert. Die letzte
Nacht hätte durchaus den Namen Fitnessprogramm verdient, und ehrlich gesagt,
es war das erste Konditionstraining, das ich liebend gern sogar täglich
absolvieren würde.
    Ich strich mit der Hand über die Seite
des Bettes, wo Christian geschlafen hatte. Im Bad hörte ich, dass die Dusche
abgedreht wurde. Die Tür ging auf, und Christian kam heraus. Er trug ein
Handtuch um die Taille. »Hi«, sagte er. »Ich hoffe, ich hab dich nicht
geweckt.«
    »Von dir lass ich mich gerne wecken«,
erwiderte ich und drehte mich auf den Rücken.
    Er ließ sich neben mir aufs Bett nieder,
wobei ihm das Handtuch gefährlich tief rutschte. »Tja«, sagte er, beugte sich
dann nach unten, um mich zu küssen, »wo du schon mal wach bist...«
    Ich hatte mir noch nicht die Zähne
geputzt, und meine Haare waren völlig zerzaust, außerdem musste ich zur
Verkündung der richterlichen Entscheidung ins Gericht, doch ich schlang die
Arme um Christians Hals und erwiderte seinen Kuß. Genau in dem Moment klingelte
ein Handy.
    »Verdammt«, knurrte Christian, und dann
schwang er sich über das Ende des Bettes, wo seine Sachen akkurat gefaltet
lagen, mit Handy und Piepser oben auf dem Stapel. »Meines ist es nicht«, sagte
er, doch da hatte ich schon sein abgelegtes Handtuch um mich gewickelt und
trabte ins Wohnzimmer zu meiner Handtasche, um meines rauszufischen.
    »Ms Bloom?«, sagte eine Frauenstimme.
»Hier spricht June Nealon.«
    »June«, sagte ich überrascht. »Ist alles
in Ordnung?«
    »Ja«, sagte sie, und dann: »Nein. Oh
Gott. Ich kann die Frage nicht beantworten.« Kurze Stille trat ein. »Ich kann's
nicht nehmen«, flüsterte June.
    »Ich weiß, ich kann nur ahnen, wie
schrecklich diese Warterei für Sie sein muss«, sagte ich, und das meinte ich
ehrlich. »Aber heute Mittag müßten wir endgültig wissen, was passiert.«
    »Ich kann es nicht nehmen«, wiederholte
June. »Geben Sie es jemand anderem.«
    Dann legte sie auf und ließ mich mit
Shays Herz sitzen.
     
    MICHAEL
     
    Zur Morgenmesse am Montag waren nur
sieben Leute gekommen, und einer davon war ich. Nicht ich hielt die Messe -
ich hatte meinen freien Tag -, sondern Father Walter zusammen mit einem Diakon
namens Paul O'Hurley. Ich betete das Vaterunser mit, und als ich anschließend
das Kreuzzeichen machte, kam mir der Gedanke, dass Shay solche Augenblicke nicht
erlebt hatte: wenn Menschen zusammenkamen, um zu Gott zu beten. Vielleicht
konnte man ihn auch auf einer ganz eigenen spirituellen Reise finden, aber das
war ein einsameres Unterfangen. Am Gottesdienst teilzunehmen fühlte sich an
wie eine Art Bestätigung, wie eine Familie, in der jeder deine Schwächen kennt
und dich trotzdem weiter einlädt.
    Als die Messe vorbei war und Father
Walter alle verabschiedet hatte, blieb ich noch lange sitzen. Schließlich stand
ich auf und schlenderte hinüber zu den Votivkerzen, schaute in die Flammen,
die züngelten, als unterhielten sie sich. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir
Sie heute hier sehen, wo der Richter doch seine Entscheidung bekannt gibt«,
sagte Father Walter,

Weitere Kostenlose Bücher