Das Herz ihrer Tochter
der sich
ihm bot, hatte er weiß Gott nicht gerechnet: sieben Männer, die sich Kindheiten
ausmalten, die wir alle furchtbar gern gehabt hat ten; sieben Männer mit
Kaugummiblasen vor dem Mund so hell wie der Mond.
Zum ersten Mal seit fast sechs Monaten
schlief ich die Nacht durch. Als ich aufwachte, war ich ausgeruht und
entspannt, ohne die Magenkrämpfe, die mich normalerweise die ersten beiden
Stunden eines jeden Tages quälten. Ich ging zum Waschbecken, drückte Zahnpasta
auf die harte Gefängniszahnbürste und blickte in das wellige Stück Blech, das
als Spiegel diente. Etwas war anders.
Das Kaposi-Sarkom, die Geschwüre, die
seit gut einem Jahr meine Wangen überzogen und die Augenlider entzündet hatten,
waren verschwunden. Meine Haut war rein und klar wie ein Fluss.
Ich beugte mich vor, um besser sehen zu
können. Ich öffnete den Mund, zog die Unterlippe herunter, suchte vergeblich
nach den Blasen und offenen Stellen, die mir das Essen so lange fast unmöglich
gemacht hatten.
»Lucius«, hörte ich eine Stimme aus der
Lüftung über meinem Kopf. »Guten Morgen.«
Ich blickte auf. »Er ist gut, Shay. Mein
Gott, das ist er.«
Letztendlich musste ich nicht um einen
Besuch von Alma bitten. Als Aufseher Whitaker meinen verbesserten Zustand sah,
war er so schockiert, dass er das selbst erledigte. Ich wurde in die Zelle
gebracht, die für Anwalt-Mandanten-Gespräche gedacht war, damit sie mir Blut
abnehmen konnte. Eine Stunde später kam sie zu mir in meine Zelle, um mir
mitzuteilen, was ich bereits wusste.
»Ihre CD4 -Zellen liegen bei 1250«,
sagte Alma. »Und die Viruslast ist nicht nachweisbar.“
»Das ist gut, nicht?«
»Das ist normal. Wie bei jemandem ohne
Aids.« Sie schüttelte den Kopf. »Anscheinend haben die Medikamente richtig gut
angeschlagen -«
»Alma«, sagte ich, und nach einem kurzen
Blick auf Whitaker, der hinter ihr stand, zog ich das Laken von der Matratze
und holte die Pillen aus meinem Versteck. Ich brachte sie ihr und häufte sie in
ihre Hände. »Ich nehme meine Medizin schon seit Monaten nicht mehr.«
Ihre Wangen wurden rot. »Dann ist das
nicht möglich.«
»Es ist nicht wahrscheinlich«,
korrigierte ich sie. »Möglich ist alles.«
Sie steckte sich die Pillen in die
Tasche. »Es gibt ganz bestimmt eine medizinische Erklärung -“
»Die Erklärung ist Shay.“
»Häftling Bourne?«
»Er hat das gemacht«, sagte ich, obwohl
ich wusste, wie verrückt das klang, aber ich wollte es ihr unbedingt erklären.
»Ich hab gesehen, wie er einen toten Vogel wieder zum Leben erweckt hat. Und
dass ein einziges Stück Kaugummi von ihm für uns alle gereicht hat. Und an
seinem ersten Abend hier hat er dafür gesorgt, dass Wein aus unseren
Wasserhähnen kam ...«
»Okay, okay. Aufseher Whitaker, ich
schlage vor, wir vereinbaren einen Termin beim Psychologen für -«
»Ich bin nicht verrückt, Alma. Ich - ich
bin geheilt.« Ich griff nach ihrer Hand. »Haben Sie noch nie mit eigenen Augen
etwas gesehen, was Sie nie für möglich gehalten hätten?«
Sie schielte rasch zu Calloways Zelle
hinüber, der sich seit nunmehr sieben Tagen von ihr verarzten ließ. »Auch das
war Shay«, flüsterte ich. »Ich weiß es.«
Alma wandte sich ab und ging zu Shays
Zelle. Er hatte den Kopfhörer auf und guckte fern. »Bourne«, bellte Whitaker.
»Handschellen.«
Sobald seine Hände gefesselt waren, wurde
seine Zelle geöffnet. Alma baute sich mit verschränkten Armen in der Tür auf.
»Was wissen Sie über den Zustand von Häftling DuFresne?«
Shay antwortete nicht.
»Häftling Bourne?«
»Er kann nicht gut schlafen«, sagte Shay
leise. »Er hat Schmerzen beim Essen.«
»Er hat Aids. Aber heute Morgen hat sich
sein Zustand urplötzlich gebessert«, sagte Alma. »Und aus irgendeinem Grund
glaubt Häftling DuFresne, dass Sie was damit zu tun haben.“
»Ich hab nichts gemacht.«
Alma wandte sich an den Aufseher. »Haben Sie irgendwas von diesen Dingen
mitbekommen?«
»In der Wasserleitung von Block I wurden Spuren von Alkohol
gefunden«, bestätigte Whitaker. »Und glauben Sie mir, wir haben alle Leitungen
gründlich unter die Lupe genommen, aber nichts Verdächtiges gefunden. Und ja,
ich hab gesehen, dass sie alle Kaugummi gekaut haben. Aber Bournes Zelle wird
regelmäßig gründlich durchsucht - und wir haben noch nie irgendwas Verbotenes
gefunden.«
»Ich hab nichts gemacht«, wiederholte
Shay. »Das waren die.« Plötzlich trat er auf Alma zu und fragte aufgeregt:
»Geht's um mein
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