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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Arztes, und während er die
Entscheidung las, die das Gericht eine Stunde zuvor gefällt hatte, formten
seine Lippen die Worte: »Und, was hat der ganze Mist hier zu bedeuten?«
    »Dass du gewonnen hast«, erklärte ich.
»Du mußt den Eid auf die Fahne nicht sprechen, wenn du nicht willst.“
    »Und Karshank?«
    Sein Klassenlehrer, ein Veteran aus dem
Koreakrieg, hatte Topher jedes Mal, wenn er sich weigerte, den Eid zu sprechen,
zum Nachsitzen verdonnert. Das hatte zuerst zu einer Briefkampagne von meinem
Büro (also von mir) geführt, und dann waren wir vor Gericht gegangen, um
Tophers Bürgerrechte zu verteidigen.
    Topher gab mir den Gerichtsentscheid
zurück. »Super«, sagte er. »Meinen Sie, Sie kriegen auch durch, dass Pot legal
wird?«
    »Ahm, nicht mein Fachgebiet. Tut mir
leid.« Ich schüttelte Topher die Hand, beglückwünschte ihn und verließ die
Schule.
    Es war ein Tag zum Feiern - ich ließ das
Fenster von meinem Prius runter, obwohl es kalt draußen war, und drehte Aretha
im CD-Player ganz laut. Die meisten meiner Fälle wurden von den Gerichten
abgeschmettert; ich kämpfte mehr, als dass ich irgend etwas erreichte. Als eine
von drei Anwälten der ACLU in New Hampshire war ich eine Verfechterin des
ersten Zusatzartikels unserer Verfassung - Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit,
Versammlungsfreiheit. Mit anderen Worten, das klang alles ganz toll, doch in
Wahrheit hieß es, dass ich eine Expertin im Briefeschreiben geworden war. Ich
schrieb für Teenager, die ihr Hooters-T-Shirt zur Schule anziehen wollten, oder
für den schwulen Schüler, der seinen Freund mit zum Abschlußball bringen
wollte; ich schrieb, damit Polizeibeamte gerügt wurden, wenn Statistiken
belegten, dass sie in Verkehrskontrollen unverhältnismäßig viele schwarze
Jugendliche anhielten. Ich hockte zahllose Stunden auf irgendwelchen
Sitzungen, verhandelte mit städtischen Behörden, dem Büro der
Staatsanwaltschaft, der Polizei, den Schulen. Ich war der Splitter, den sie
nicht loswurden, der Stachel in ihrem Fleisch, ihr Gewissen.
    Ich nahm mein Handy und rief meine Mutter
im Wellnessstudio an. »Stell dir vor«, sagte ich, als sie sich meldete. »Ich
hab gewonnen.«
    »Maggie, das ist ja phantastisch. Ich bin
so stolz auf dich.« Ein kurzes Zögern. »Was hast du gewonnen?«
    »Meinen Fall! Von dem ich dir letzte
Woche erzählt hab, beim Abendessen.«
    »Der gegen die Hochschule mit einem
Indianer als Maskottchen?«
    »Amerikanischer Ureinwohner - nein«,
sagte ich. »Den hab ich verloren. Ich meine den Fall mit dem Treueeid auf die
Fahne. Und« - ich zog meine Trumpfkarte - »ich glaube, ich bin heute Abend in
den Nachrichten. Vor dem Gerichtsgebäude wimmelte es nur so von Kameras.«
    Ich hörte, wie meine Mutter den Hörer
fallen ließ und ihren Mitarbeiterinnen zurief, was für eine berühmte Tochter
sie habe. Grinsend legte ich auf und wollte das Handy schon wegstecken, als es
erneut klingelte. »Was hast du an?«, fragte meine Mutter.
    »Mein
Jones-New-York-Kostüm.«
    Meine Mutter zögerte. »Doch nicht das mit
den Nadelstreifen?«
    »Was soll denn das heißen?“
    »Ich frag ja bloß.«
    »Doch, das mit den Nadelstreifen«, sagte
ich. »Was stört dich daran?«
    »Hab ich gesagt, dass mich irgendwas
daran stört?«
    »Das mußt du gar nicht sagen.« Ich
scherte auf die Überholspur, um einen langsamen Wagen zu überholen. »Ich muss
Schluss machen«, sagte ich und legte auf, Tränen in den Augen.
    Wieder klingelte mein Handy. »Deine
Mutter weint«, sagte mein Vater.
    »Tja, dann sind wir zu zweit. Wieso kann
sie sich nicht einfach für mich freuen?«
    »Das tut sie doch, Schätzchen. Sie
findet, du bist zu empfindlich.«
    »Ich, zu empfindlich? Soll das ein Witz
sein?«
    »Ich wette, Marcia Clark wurde auch von
ihrer Mutter gefragt, was sie anzieht, als sie die Anklage im Prozess gegen O.
J. Simpson vertreten hat«, sagte mein Vater.
    »Ich wette, Marcia Clark hat von ihrer
Mutter keine Fitnessvideos zu Chanukka geschenkt bekommen.«
    »Ich wette, Marcia Clark kriegt von ihrer
Mutter gar nichts zu Chanukka«, sagte mein Vater lachend. »In ihrem Weihnachtsstrumpf
steckt höchstens eine DVD, Die
Firma, würde ich tippen.«
    Ein Lächeln zuckte mir in den Mundwinkeln.
Im Hintergrund konnte ich ein schreiendes Baby hören. »Wo bist du?«
    »Auf einer Brit Milah«, sagte mein Vater.
»Und ich mach besser Schluss, der Mohel wirft mir schon böse Blicke zu, nicht,
dass er sich noch aufregt vor der Beschneidung, wäre nicht gut.

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