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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Herz, sind Sie deshalb hier?«
    »Was?«
    »Mein Herz. Ich will es spenden, nach
meinem Tod.« Ich hörte ihn in dem Karton mit seinen Habseligkeiten kramen.
»Hier«, sagte er und gab Alma einen Zettel. »Das ist das Mädchen, das mein Herz
braucht. Lucius hat den Namen für mich aufgeschrieben.«
    »Ich weiß davon nichts ...«
    »Aber Sie können es rausfinden, nicht?
Sie können mit den richtigen Leuten reden?«
    Alma zögerte, und dann wurde ihre Stimme
weich, so flauschig weich, wie sie immer mit mir sprach, wenn ich vor lauter
Schmerzen nichts anderes mehr sah. »Ich kann reden«, sagte sie.
     
    Es ist merkwürdig, etwas im Fernsehen zu
sehen und zu wissen, dass es in Wirklichkeit direkt draußen vor deiner Tür
passierte. Scharen von Menschen hatten den Parkplatz der Strafanstalt
überschwemmt: Leute in Rollstühlen, ältere Frauen mit Gehhilfen, Mütter, die
kranke Kinder an ihre Brust drückten, schwule Pärchen, meistens einer davon so
krank, dass sein Partner ihn stützen musste, und irgendwelche Spinner, die
Schilder hochhielten mit Bibelzitaten über das Ende der Welt. An der Straße,
die am Friedhof vorbei in die Stadt führte, parkten Übertragungswagen -
Lokalsender und sogar einer von FOX News in Boston.
    Im Augenblick interviewte ein Reporter
von ABC 22 eine junge Mutter, deren Sohn mit einem schweren neurologischen
Defekt geboren worden war. Sie stand neben dem Jungen in seinem elektrischen
Rollstuhl, eine Hand auf seiner Stirn. »Was ich mir wünschen würde?«,
wiederholte sie die Frage des Reporters. »Ich würde mir wünschen, dass er weiß,
wer ich bin.« Sie lächelte schwach. »Das ist doch nicht zu viel verlangt,
oder?«
    Der Reporter blickte in die Kamera. »Bob,
bislang hat die Gefängnisverwaltung weder bestätigt noch dementiert, dass in
der Strafanstalt von Concord irgendwelche wundersamen Ereignisse stattgefunden
haben. Aus gut unterrichteten Kreisen haben wir erfahren, dass diese Vorkommnisse
mit dem Wunsch eines Häftlings namens Shay Bourne in Zusammenhang stehen
sollen. Shay Bourne ist derzeit der einzige Häftling in New Hampshire, der der
Vollstreckung seines Todesurteils entgegensieht, und er hat den Wunsch
geäußert, nach seiner Hinrichtung seine Organe zu spenden.«
    Ich riss mir den Kopfhörer herunter.
»Shay«, rief ich. »Hast du den Fernseher an?«
    »Wir haben ja einen richtigen Promi unter
uns«, sagte Crash.
    Der ganze Aufruhr machte Shay allmählich
nervös. »Ich bin der, der ich immer war«, sagte er mit lauter werdender Stimme.
»Ich bin der, der ich immer sein werde.«
    In diesem Augenblick kamen zwei Aufseher
herein und eskortierten jemanden, den wir selten zu Gesicht bekamen: Direktor
Coyne. Er war ein stämmiger Mann mit Bürstenhaarschnitt, und er wartete neben
der Zelle, während Shay sich nach Aufforderung von Aufseher Whitaker auszog.
Seine Gefängnismontur wurde ausgeschüttelt, dann durfte er sich wieder
anziehen, ehe man ihn an der Wand gegenüber unseren Zellen ankettete.
    Die Aufseher stellten Shays Zelle auf den
Kopf - schütteten das Essen aus, mit dem er noch nicht fertig war, zogen den
Kopfhörer aus dem Fernseher, kippten den kleinen Karton mit seinen
Habseligkeiten aus. Sie rissen die Bettwäsche herunter, schauten unter der Matratze
nach. Sie fuhren mit den Händen an den Rändern des Waschbeckens, der
Kloschüssel, des Bettgestells entlang.
    »Bourne, sind Sie sich darüber im Klaren,
was da draußen los ist?«, fragte der Direktor, doch Shay stand bloß da, den
Kopf eingezogen, wie Calloways Rotkehlchen, wenn es schlief. »Würden Sie mir
wohl verraten, was hier vor sich geht?«
    Als Shay weiterhin stur schwieg, schritt
der Direktor einmal den Laufgang rauf und runter. »Was ist mit euch?«, rief er
uns Übrigen zu. »Zu eurer Information, wer bereit ist, mit mir zu kooperieren,
wird nicht bestraft. Den anderen kann ich nichts versprechen.«
    Keiner sagte etwas.
    Direktor Coyne wandte sich an Shay.
»Woher hatten Sie das Kaugummi?«
    »Er hatte nur ein einziges Stück«, rief
Joey Kunz, der Petzer. »Aber es hat für uns alle gereicht.«
    »Sind Sie so was wie ein Zauberer,
Freundchen?«, sagte der Direktor, das Gesicht ganz dicht vor Shays. »Oder haben
Sie die anderen hypnotisiert, damit sie glauben, sie hätten was bekommen, das
sie gar nicht bekommen haben? Ich kenn mich aus mit Gehirnwäsche, Bourne.«
    »Ich hab nichts gemacht«, murmelte
Bourne.
    Aufseher Whitaker trat näher. »Direktor
Coyne, seine Zelle ist sauber. Wir haben

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