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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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der
Couch aus. Im Schlaf schmiegte sie sich an mich, ein Puzzleteilchen, das sich
dort einfügte, wo es hingehörte. Ich gab meiner Tochter einen Kuß auf die
Stirn, prüfte dabei instinktiv, ob sie Fieber hatte. So war jetzt mein Leben
und das von Ciaire: ein Geduldsspiel. Wie Shay Bourne, der in seiner Zelle saß
und darauf wartete, dass seine Zeit kam zu sterben, saßen wir hier gefangen
durch die Einschränkungen von Claires Körper und warteten darauf, dass ihre
Zeit kam zu leben.
    Also urteilen Sie nicht über mich, wenn
Sie noch nie auf einer Couch neben Ihrem kranken Kind eingeschlafen sind und
sich gedacht haben, es könnte seine letzte Nacht sein.
    Fragen Sie statt dessen: Würden Sie es
tun?
    Würden Sie Ihre Rachegefühle gegen einen
Menschen begraben, den Sie hassen, wenn Sie dadurch einen Menschen retten
können, den Sie lieben?
    Würden Sie wollen, dass Ihre Träume wahr
werden, wenn Sie dafür Ihrem Feind seinen letzten Wunsch erfüllen müßten?
     
    MAGGIE
     
    In der Schule war ich strebsam und
ordentlich. Meine Referate schrieb ich im Blocksatz, Flatterrand kam für mich
nicht infrage. Die Deckblätter gestaltete ich einfallsreich - auf meinem Essay
über Dickens' Eine Geschichte aus
zwei Städten war zum Beispiel eine kleine
Guillotine zu sehen, oder auf der Physikarbeit über Prismen hatte der Titel
Regenbogenfarben.
    Als ich das Schreiben an die
Strafvollzugsbehörde aufsetzte, erinnerte mich das ein wenig an meine Schülerzeit.
Es enthielt diverse Anhänge: eine Kopie von Shay Bournes schriftlicher Erklärung,
dass er der Schwester seines Opfers sein Herz spenden wolle; ein Attest von
Claires Kardiologen, dass sie ohne ein Spenderherz keine Überlebenschance
habe. Ich hatte mich telefonisch um einen baldigen Termin für eine medizinische
Untersuchung von Shay bemüht und eine Stunde lang mit einer Mitarbeiterin der
nationalen Organbank telefoniert, bis ich schließlich die Bestätigung vorliegen
hatte, dass Shay, wenn er sein Herz spendete, entscheiden konnte, wer es
bekommen sollte. Ich heftete alle Unterlagen mit einer glänzenden silbernen
Schmetterlingsklammer zusammen und setzte mich dann wieder an den PC, um
meinen Brief an Commissioner Lynch von der Strafvollzugsbehörde zu Ende zu
schreiben.
     
    Wie aus der Erklärung von Shay Bournes
Seelsorger Father Michael Wright hervorgeht, läuft die Hinrichtung per
tödlicher Injektion der Absicht des Häftlings zuwider, sein Herz Ciaire Nealon
zu spenden. Zudem stellt sie einen eklatanten Verstoß gegen das ihm
verfassungsmäßig verbriefte Recht auf freie Religionsausübung dar. Somit ist
die Exekution mittels tödlicher Injektion gemäß Strafgesetzbuch von New
Hampshire, 630:5, Absatz XIV, als untauglich zu bezeichnen. Die Alternative,
Tod durch den Strang, wie sie das Strafgesetzbuch durchaus einräumt, würde dem
Häftling dagegen die freie Religionsausübung bis zum Zeitpunkt der Hinrichtung
ermöglichen.
    Ich sah förmlich, wie dem fassungslosen
Commissioner in diesem Moment klar wurde, dass ich zwei Gesetze, die scheinbar
nichts miteinander zu tun hatten, so geschickt miteinander kombiniert hatte,
dass die nächsten paar Wochen für ihn die Hölle auf Erden würden.
     
    Überdies wäre unser Büro sehr daran interessiert, gemeinsam mit der
Strafvollzugsbehörde für einen reibungslosen Ablauf der für die Spende
notwendigen Schritte zu sorgen, da im Vorfeld der Organspende ein Abgleich von
Gewebeproben und eine gründliche medizinische Voruntersuchung des Spenders
erfolgen muss und da vom Moment der Organentnahme an die Zeit ein kritischer
Faktor ist.
     
    Anders ausgedrückt: Ich trau Ihnen nicht
über den Weg.
     
    Es liegt auf der Hand, dass diese Angelegenheit rasches Handeln
erforderlich macht.
     
    Wir dürfen keine Zeit verlieren, denn
sowohl Shay Bourne als auch Ciaire Nealon läuft die Zeit davon, basta.
     
    Mit freundlichen Grüßen
    Maggie Bloom, Rechtsanwältin
     
    Ich druckte den Brief aus, unterschrieb
ihn und schob ihn in einen vorbereiteten Umschlag. Als ich ihn zuklebte, dachte
ich: Bitte mach, dass die Sache
hinhaut.
    Mit wem redete ich da eigentlich?
    Ich glaubte nicht an Gott. Nicht mehr.
    Ich war Atheistin.
    Zumindest redete ich mir das ein, obwohl
ich irgendwo tief in mir drinnen insgeheim hoffte, dass ich mich irrte.
     
    LUCIUS
     
    Die Leute meinen immer zu wissen, was sie
am meisten vermissen würden, wenn sie mit mir tauschen müßten. Essen, frische
Luft, die Lieblingsjeans, Sex - glauben Sie mir, ich hab

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