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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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den Mündern derjenigen, die Shay noch nicht
abgeschrieben hatten. »Woher sollen wir wissen, dass du nicht der falsche
Prophet bist?«, rief ein junger Mann.
    Neben mir schloss eine Mutter ihr krankes
Kind enger in die Arme. Sie warf einen Blick auf meinen Kragen und verzog das
Gesicht. »Gehören Sie zu dem?«
    »Nein«, erwiderte ich. »Ganz bestimmt
nicht.«
    Sie nickte. »Na, ich lass mir jedenfalls
von einem Mann, dessen Kirche eine Snackbar hat, keine Ratschläge erteilen.«
    Ich wollte ihr schon beipflichten, als
ich von einem stämmigen Mann abgelenkt wurde, der den Reverend packte und ihn
von seiner provisorischen Kanzel in die Menge riss.
    Sofort schwenkten alle Kameras in die
Richtung.
    Ohne darüber nachzudenken, was ich tat
und dass ich es vor laufenden Kameras tat, drängte ich mich durch das Gewühl
und zerrte Reverend Arbogath Justus aus den Fängen des Mobs hervor. Er hielt
die Arme um mich geschlungen und rang nach Luft, während ich uns beide auf die
Granitumrandung des Parkplatzes hievte.
    Ich wusste nicht, was mich bewogen hatte,
den Helden zu spielen. Und ich wusste erst recht nicht, warum ich auch noch das
Wort ergriff. Philosophisch gesehen, gehörten Justus und ich demselben Team an
- obwohl wir Religion mit ganz verschiedenen Mitteln anpriesen. Aber ich
wusste auch, dass Shay - vielleicht zum ersten Mal im Leben - etwas
Ehrenhaftes tun wollte. Er hatte es nicht verdient, dafür verleumdet zu werden.
    Ich glaubte vielleicht nicht an Shay, aber ich glaubte ihm.
    Ich spürte, wie sich das breite Auge
einer Fernsehkamera auf mich richtete, gefolgt von etlichen anderen. »Reverend
Justus ist sicherlich deshalb hergekommen, weil er glaubt, Ihnen die Wahrheit
zu sagen. Nun, Shay Bourne glaubt das auch. Er will nur eine einzige Sache auf
dieser Welt tun, ehe er sie verläßt: das Leben eines Kindes retten. Der Jesus,
den ich kenne, würde das gutheißen, glaube ich. Und«, sagte ich und wandte
mich dem Reverend zu, »der Jesus, den ich kenne, würde Menschen, die für ihre Sünden büßen wollen, nicht in
irgendeine lodernde Hölle schicken. Der Jesus, den ich kenne, glaubte daran, dass
jeder eine zweite Chance verdient.«
    Als Reverend Justus begriff, dass ich ihn
womöglich vor der Meute gerettet hatte, um ihn erneut den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen,
wurde er puterrot im Gesicht. »Es gibt nur ein wahres Wort Gottes«, rief er den
Kameras entgegen, »und Shay Bourne verkündet es nicht.«
    Das konnte ich allerdings nicht
bestreiten. In all meinen Gesprächen mit Shay hatte er kein einziges Mal das
Neue Testament zitiert. Eher kam es vor, dass er unvermittelt vom Thema abschweifte
und von Hantaviren und Regierungsverschwörungen anfing. »Da haben Sie völlig
recht«, sagte ich. »Er tut etwas, das noch keiner getan hat. Er stellt den Status
quo infrage, Er möchte einen anderen Weg vorschlagen - einen besseren Weg. Und
dafür ist er bereit zu sterben.« Ich hob eine Augenbraue. »Und noch was, ich
wette, Jesus würde finden, dass er mit einem Mann wie Shay Bourne einiges
gemein hat.«
    Ich nickte, stieg von der Granitumrandung
und schob mich durch die Menge zum Eingang, wo ein Aufseher mich durchließ.
»Father«, sagte er kopfschüttelnd, »wenn Sie wüßten, in was für einen
Schlamassel Sie sich da eben reingeritten haben.« Und als hätte es noch eines
Beweises bedurft, klingelte mein Handy, und ein wütender Father Walter zitierte
mich zurück nach St. Catherine, sofort.
     
    Ich saß in der vordersten Kirchenbank,
während Father Walter vor mir auf und ab schritt. »Und wenn ich einfach
behaupte, der Heilige Geist wäre in mich gefahren?«, sagte ich und erntete
einen vernichtenden Blick.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Father
Walter. »Wie kommen Sie dazu, so etwas zu sagen... live im Fernsehen, um
Himmels willen -«
    »Ich wollte nicht -«
    »- wo Sie doch hätten wissen müssen, dass
Sie St. Catherine damit in Teufels Küche bringen?« Er ließ sich neben mir auf
die Bank sinken und legte den Kopf in den Nacken, als würde er zu der
geschnitzten Jesusstatue am Kreuz beten, das vor uns aufragte. »Michael, im
Ernst, was haben Sie sich nur dabei gedacht?«, sagte er leise. »Sie sind ein
junger, attraktiver, gescheiter, rechtschaffener Mann. Ihnen stehen alle Wege
in der Kirche offen. Sie könnten eine eigene Gemeinde bekommen, nach Rom gehen
... Karriere machen. Und statt dessen erhalte ich vom Büro der
Staatsanwaltschaft die Kopie einer schriftlichen Erklärung von Ihnen mit

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