Das Herz ihrer Tochter
immer -, dann wartete allerhand Arbeit auf
mich.
»Ich brauche eine schriftliche Erklärung
von Ihnen, dass Sie Shays Seelsorger sind und dass seine religiöse Überzeugung
förmlich danach schreit, sein Herz zu spenden.«
Er holte tief Luft. »Maggie, ich kann für
Shay keine eidesstattliche Erklärung abgeben -«
»Klar können Sie«, sagte ich. »Sie lügen
einfach, und anschließend gehen Sie beichten. Sie tun es ja nicht für sich;
Sie tun es für Shay. Und wir brauchen einen Kardiologen, um festzustellen, ob
Shays Herz überhaupt für Ciaire infrage kommt.«
Der Priester schloss die Augen und
nickte. »Soll ich es ihm sagen?«
»Nein«, erwiderte ich mit einem Lächeln.
»Lassen Sie mich das machen.«
Nach einem kleinen Schlenker spazierte
ich wieder durch die Metalldetektoren und wurde in den Besprechungsraum für Anwälte
und Mandanten geführt. Wenige Minuten später tauchte ein mürrischer Aufseher
mit Shay auf. »Wenn er weiter so hin und her verfrachtet wird, müssen wir noch
einen Chauffeur für ihn anheuern.«
Ich preßte Daumen und Zeigefinger
aufeinander.
Shay fuhr sich mit den Händen durchs
Haar, sodass es kreuz und quer stand; das Hemd seiner Gefängniskluft hing über
der Hose. »Tut mir leid«, sagte er sofort.
»Die Entschuldigung wäre bei einer
anderen Person angebrachter«, erwiderte ich.
»Ich weiß.« Er kniff die Augen zu,
schüttelte den Kopf. »Mein Kopf war voll mit Worten, die sich in elf Jahren
angesammelt hatten, und ich hab sie nicht so rausgekriegt, wie ich wollte.«
»Erstaunlicherweise ist June Nealon
bereit, Ihr Herz für Ciaire anzunehmen.«
Ich war im Laufe meiner Tätigkeit als
Anwältin schon öfter Überbringerin von Neuigkeiten, die das Leben eines
Mandanten verändern würden: der Mann, dem der Laden von Fremdenhassern
demoliert worden war und der eine so stattliche Entschädigung zugesprochen
bekommen hatte, dass er ein noch größeres Geschäft aufmachen konnte; das
schwule Pärchen, das sich vor Gericht das Recht erstritten hatte, im
Elternverzeichnis der Grundschule eingetragen zu werden. Ein Lächeln erblühte
auf Shays Gesicht, und in dem Moment fiel mir wieder ein, dass das . Wort Evangelium so
viel bedeutet wie gute Nachricht. ' »Die Sache ist noch längst nicht sicher«,
sagte ich. »Wir wissen ja nicht mal, ob Ihr Herz aus medizinischer Sicht für
die Spende überhaupt geeignet ist. Von den ganzen juristischen Hürden, die wir
zu nehmen haben, mal ganz abgesehen... wir haben also einiges zu bereden,
Shay.«
Ich wartete, bis er mir gegenüber am
Tisch Platz genommen und sich so weit wieder beruhigt hatte, dass er aufhörte
zu grinsen und mir in die Augen sah. Ich war schon öfter mit Mandanten an
diesem Punkt gewesen: Man zeichnete ihnen einen Lageplan und erklärte, wo der
Notausstieg war, und dann wartete man ab, ob sie begriffen, dass sie ganz
allein dahin kriechen sollten. Das war juristisch legitim; man sagte ihnen
nicht, dass sie die Wahrheit abwandeln sollten, sondern erklärte lediglich, wie
das Verfahren lief, und hoffte, sie würden sich von selbst entscheiden, die
Wahrheit ein wenig zu schönen. »Passen Sie gut auf«, sagte ich. »In unserem
Land haben Sie ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Ausübung Ihrer Religion,
solange die Sicherheit in der Strafanstalt dadurch nicht beeinträchtigt wird.
In New Hampshire haben Sie darüber hinaus ein gesetzlich verbrieftes Recht,
die gegen Sie verhängte Todesstrafe per tödlicher Injektion, die Ihr Herz für
eine Spende unbrauchbar machen würde ... unter gewissen Umständen in eine
Todesstrafe durch Erhängen umwandeln zu lassen. Und wenn Sie gehängt würden,
würden Sie Ihre Organe spenden können.«
Das war ziemlich viel auf einmal, was er
da zu verdauen hatte.
»Ich denke, Sie haben durchaus eine
Chance, gehängt zu werden«, sagte ich, »falls ich einen Richter in einem
Bundesgericht davon überzeugen kann, dass die Organspende untrennbar Teil Ihres
Glaubens ist. Verstehen Sie, was ich sage?«
Er verzog das Gesicht. »Ich war nicht
gern katholisch.«
»Sie müssen nicht sagen, dass Sie
katholisch sind.«
»Erzählen Sie das mal Father Michael.«
»Mit Vergnügen.« Ich lachte.
»Was muss ich denn sagen?«
»Shay, vor dem Gefängnis kampieren jede
Menge Leute, die liebend gern glauben wollen, dass das, was Sie hier drin
machen, irgendeine religiöse Grundlage hat. Aber Sie müssen das auch glauben.
Wenn die Sache klappen soll, müssen Sie mir sagen, dass eine Organspende
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