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Das Herz ist eine miese Gegend

Das Herz ist eine miese Gegend

Titel: Das Herz ist eine miese Gegend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Kopfende seines Bettes und hörte leise, wie die Welt klang. Doch ein Lied, aus dem das Weinen ohne Augen kam, hörte er darin nie.
    Auch zu den Herbstferien durfte Bo nicht nach Hause kommen. Aber er schrieb, eine Schule in der Stadt sei nun möglicherweise doch bereit, ihn aufzunehmen. Eine müsse ja, da er schulpflichtig sei, und er werde sich wieder melden. Der Brief kam Giovanni schwarzweiß vor, obwohl er mit blauer Tinte geschrieben war.
    Immer öfter wurde Giovanni in der Schule schlafend ertappt, und so mußte er die Arbeit in der Bäckerei aufgeben. Er hörte eine Woche früher auf, als seine Eltern glaubten. In dieser Woche ging er mit Laura jeden Morgen den steilen Waldweg hinter ihrem Haus hinauf. Im Morgennebel küßten sie sich fröstelnd und suchten unter den Kleidern des andern. Sie zogen sich nie aus, aber ihre Hände waren schon fast überall.
    Wenn Laura nach Hause mußte, um ihren Vater zu wecken, radelte Giovanni zur Bäckerei, klopfte an die Tür der Backstube und trank mit dem Bäcker Kaffee. Bis die Schule anfing.
    Die Herbstferien verbrachte Laura bei ihrer Mutter in der anderen Stadt. Sie war nur dazu bereit gewesen, weil Giovanni sie besuchen durfte. Seine Eltern erlaubten es, weil Lauras Vater solchen Eindruck auf sie gemacht hatte. Und Laura selbst hatte seine Mutter mit Freddie erobert. Die Mutter ertappte sich manchmal bei dem Gedanken, eine Tochter zu haben wär auch schön gewesen. Eine Tochter wie Laura.
    Giovanni versprach, sich von Laura bei den Mathematikaufgaben helfen zu lassen, und trampte, um das Geld für die Bahn zu sparen. Er brauchte nur einen 2 CV und drei R 4 und überreichte artig seinen Blumenstrauß. Lauras Mutter war eine schöne Frau mit genau demselben Unterschied zwischen Haar- und Augenbrauenfarbe wie Laura.
    »Du bist also Lauras Freund«, sagte sie. »Komm rein.«
    In ihrem Tonfall klang etwas wie eine hochgezogene Augenbraue mit, so ein spöttischer, spitzer Unterton, und sofort hatte Giovanni das Gefühl, seine Fingernägel könnten zu lang sein, die Zähne zu schief oder gelb.
    Er wagte nicht, Laura zu küssen, als sie vor ihm stand. Sie sah aus, als fühle sie sich ebenso unerwünscht wie er. Hinter ihr sah ihre Schwester mit abschätzigem Blick aus der Tür. Giovanni wußte nicht wohin mit sich.
    Laura erkannte die Situation und sagte: »Wir gehen einkaufen. Ich hab Lust auf Kuchen.«
    Nach der ersten Hausecke küßte sie ihn tief und streichelte seinen Nacken.
    »Geht’s dir gut?« fragte er.
    »Nein«, sagte sie, »die mögen mich nicht.«
    Sie trödelten so lange wie möglich herum, obwohl es regnerisch, kalt und richtiges Novemberwetter war. Nachher, als sie alle um den Wohnzimmertisch saßen, Kaffee tranken und Kuchen aßen, hatte Giovanni zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl, seine Manieren reichten nicht aus. Die Mutter wie die kleine Schwester hatten etwas in ihrem Benehmen, das ihn verstoßen wollte. Er merkte, wie Laura sich auf seine Seite schlug, sie redete und tat abgebrüht wie eine Abenteurerin, der man in Wohnzimmern nichts mehr bieten kann. Aber das verschlimmerte sein Gefühl noch. Sie hatte die Wahl, er nicht.
    »Tanzen Sie auch?« fragte die Mutter, als die Rede auf den Abschlußball der Schwester kam.
    »Den Lehrern auf der Nase rum«, sagte er, noch bevor er sich hätte beherrschen können. Laura lachte, und die Mutter wechselte das Thema.
    »Komm, wir gehn ins Kino!« Laura zog ihn vom Tisch hoch. Er wollte seinen Teller und die Tasse in die Küche bringen, aber sie legte die Hand auf seinen Arm und sagte: »Das macht die Minna.«
    Sie gingen eingehakt den Weg zum Stadtzentrum, und nach einer Weile fragte er: »Haben sie wirklich ein Dienstmädchen, in der kleinen Wohnung?«
    »Nein«, sagte Laura traurig, »das war als Gemeinheit gedacht. Die sollen nicht so etepetete tun.« Und nach einiger Zeit, in der sie schweigend gingen: »Ich hasse sie. Alle beide. Die finden sich was Besseres und scheißen mit Messer und Gabel.«
    »Heh«, sagte Giovanni erstaunt, »das ist aber nicht deine Ausdrucksweise.«
    »Nein«, Laura lachte und kniffihn in die Wange, »das ist Notwehr.«
    Nach einem Abendessen in frostiger Stimmung half Laura ihm bei den Aufgaben. Das war die einzige Möglichkeit, in Ruhe gelassen zu werden. Sie küßten sich mit spitzen Ohren.
    »Schlaf noch nicht ein«, sagte Laura, als sie ihm später im Wohnzimmer sein Bett richtete. Das Wohnzimmer lag direkt neben dem Zimmer der Mutter.
    Es mußte eine Stunde oder

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