Das Herz kennt die Wahrheit
– und er wusste, dass er Darcy nie etwas würde abschlagen können.
"Ja, Mädchen. Wenn du mich an Bord haben willst, werde ich da sein."
Darcy legte die Hand auf seine. "Hab Dank." Sie schaute die anderen an. "Ich möchte es wirklich tun. Ich muss einfach. Versteht ihr mich?"
Einer nach dem anderen nickte, dann sahen sie betroffen zur Seite. Der Schmerz zeichnete sich immer noch scharf auf Darcys Gesicht ab. Ein Schmerz, der all ihre Herzen ergriffen hatte.
"So ist es also abgemacht. Bei Sonnenaufgang werde ich zum Dorf gehen und dem Hafenmeister mitteilen, dass ich den Auftrag übernehme. Newt und ich werden eine Mannschaft anheuern." Sie erhob sich, ging langsam um den Tisch und hauchte Küsse auf die Wangen ihrer Familienangehörigen, bevor sie die Stufen zu ihrem Schlafgemach hinaufeilte.
Sie hatte einen Weg gefunden, um Gray näher zu sein. Auch wenn es lediglich bedeutete, dass sie an seiner ewigen Ruhestätte vorbeifahren würde. Denn obgleich sie seinen Tod noch nicht akzeptiert hatte, begann ihre Hoffnung zu schwinden. Wenn er am Leben geblieben wäre, hätte er eine Möglichkeit gefunden, ihr eine Nachricht zukommen zu lassen. Und daher war dies alles, was sie nun für ihn tun konnte. Doch zumindest war es besser, als zu Hause herumzusitzen und ihren Verlust zu beklagen.
Zum ersten Mal seit Wochen schlief sie tief und fest.
Auf See herrschte eine beißende Kälte, und die Luft brannte in den Lungen der Matrosen, die sich an Deck aufhalten mussten. Zu allem Unglück setzte auch noch ein Eisregen ein, der sich wie Klauen in die Haut bohrte und alle sehnsuchtsvoll an den heimatlichen Herd denken ließ.
Hoch oben aus der Takelage erscholl der Ruf: "Schiff ohne Flagge. Kommt rasch an Backbord näher!"
"Wir haben noch Zeit, ihnen zu entkommen", rief einer der Seeleute.
"Die 'Undaunted' flieht nicht." Darcy hielt das Steuerrad und gab Anweisungen, die Segel einzuholen. "Sie kämpft."
"Aber Cap…"
Mit einem finsteren Blick unterband sie den Einwand des Seemanns. "Jeder geht auf seine Position und bereitet sich auf den Kampf vor."
"Aye, Captain." Unter Grummeln und Beschwerden wurden die Kanonen freigelegt und mit Pulver gefüllt.
Einer der Seemänner ging an der Mannschaft vorbei und verteilte ein ganzes Waffensortiment. Degen, Pistolen und Messer verschwanden unter den schweren Jacken – genau wie die Hände, die bereits taub von der Kälte waren.
Newton hatte Darcys Ruf gehört und kam an Deck. Er ging auf die junge Frau zu, die wie eine Besessene versuchte, das Schiff in die richtige Position zu bringen, um sich der drohenden Gefahr zu stellen.
"Die Mannschaft ist müde, Mädchen. Sie haben gerade erst das Blut des letzten Kampfes von den Planken geschrubbt. Keiner ist auf einen weiteren Zusammenstoß aus."
"Es ist unsere Aufgabe, Piraten zu bekämpfen, Newt", belehrte sie ihn.
"Ja, Mädchen, das stimmt. Aber um das tun zu können, müssen wir stark sein. Noch haben wir Zeit, ihnen zu entkommen, um einen sicheren Hafen zu erreichen."
"Du willst, dass wir klein beigeben und wie Feiglinge das Weite suchen?"
"Ich will, dass wir überleben, Mädchen." Er legte eine Hand auf ihren Arm. "Sieh dich an, Darcy. Du bist kaum mehr als Haut und Knochen. Wir sind seit einem Monat auf See und haben zahlreiche Gefechte überstanden."
"Dann lassen wir es auf ein weiteres ankommen. Ich bin nicht müde, Newt."
"Vielleicht nicht. Aber von der Mannschaft kannst du nicht dasselbe behaupten. Es ist jetzt an der Zeit, anzulegen. Lass sie etwas anderes als Fisch essen. Gewähre ihnen ein Glas Ale in einem Wirtshaus und ein richtiges warmes Bett, das eine Frau mit ihnen teilt. Ansonsten wirst du eine Mannschaft befehligen müssen, die bei der erstbesten Gelegenheit von Bord springt."
Darcy seufzte. Newton hatte Recht. Sie hatte zwar die Rastlosigkeit der Besatzung bemerkt, den Bedürfnissen der Seeleute aber keine weitere Beachtung geschenkt. Außerdem galt es, einen anderen Auftrag zu erledigen. Im Laderaum befand sich eine Fracht, die sie abzuliefern hatten.
Sie musterte das Schiff in der Ferne, das sich bemühte, mit der "Undaunted" mitzuhalten. Es wäre nicht schwierig, in einem der zahlreichen Häfen, welche die Küstenlinie säumten, Schutz zu suchen. Nach einer Nacht im Hafen könnten sie ihre Fahrt fortsetzen und die Fracht abliefern. Und falls die Piraten noch warten sollten, wäre ihre Mannschaft erfrischt und kampfbereit.
Widerwillig nickte sie. "Gut, Newt. Gib die Order, die Segel zu
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