Das Herz kennt die Wahrheit
Last den ganzen Weg und setzte Darcy schließlich auf einen Teppich vor dem Kaminfeuer. Dann legte er sich neben sie und hüllte sich in eine warme, trockene Decke.
Als kurze Zeit später die Haushälterin mit Tassen voll warmer Milch hereinkam, war der Junge in tiefen Schlaf gefallen. Mit angezogenen Beinen lag Darcy dicht neben ihm und hatte ihre Hand in die seine gelegt.
Während die Erwachsenen an den Kamin traten und sich die ungeheuerliche Heldentat des Jungen vor Augen führten, wurde ihnen noch etwas anderes klar. Obgleich Gray beinahe acht Jahre älter war als Darcy, waren diese beiden jungen Menschen sich in besonderer Weise zugetan. Beide waren von der See fasziniert und liebten sie. Beide waren völlig furchtlos. Und der Glaube an den jeweils anderen war unerschütterlich.
Newton beobachtete die Schlafenden. Selbst ihre Atemzüge folgten dem gleichen Rhythmus. "Eine vollkommenere Verbindung kann ich mir nicht vorstellen." Er schüttelte den Kopf, ehe er zu Bett ging und vor sich hinmurmelte: "Hoffentlich erlebe ich es noch, wenn sie erwachsen sind."
Einige Menschen, machte er sich bewusst, waren einfach füreinander geschaffen.
1. Kapitel
"Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass Ambrosia und Bethany jetzt beide verheiratet sind, nicht wahr, Großvater?" Darcy Lambert, die jüngste der drei Lambert-Schwestern, stand neben ihrem Großvater auf dem Söller des Wohnsitzes MaryCastle, der sich im ersten Stockwerk an der Längsseite des Gebäudes befand. Während sie sprach, blickte sie unverwandt zum Horizont, denn sie hoffte, die hohen Masten der "Carrington" zu erspähen, des Schiffes, auf dem Gray Barton als Erster Offizier diente.
"Ich habe keine Zweifel, dass du den beiden schon bald in den Hafen der Ehe folgen wirst, mein Mädchen." Liebevoll strich Geoffrey Lambert Darcy über die Wange, und sie umschloss seine Hand.
"Ja. Gray sagte, dass er zum letzten Mal unter fremdem Kommando auf See sein wird. Das nächste Mal wird er Kapitän seines eigenen Schiffes sein. Denk nur, Großvater. Kapitän eines Schiffes. Das hat er sich seit langer Zeit erträumt. Und er hat mir versprochen, dass ich mit ihm fahren werde, wenn er wieder die Segel setzt, als seine Gemahlin und Erster Offizier."
Der alte Mann seufzte. "Ich kann mich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass ich meine drei Mädchen in nur einem einzigen Jahr verlieren werde."
"Aber du verlierst uns doch nicht, Großvater", erwiderte Darcy beschwichtigend. Sie deutete auf die Arbeiter, die ein neues Gebäude neben dem alten Wohnsitz errichteten. "Ambrosia und Riordan werden bald nebenan wohnen. Bethany und Kane leben nur eine kurze Fahrt entfernt bei der Penhollow Abbey. Was Gray betrifft, so glaube ich, dass er zustimmen wird, hier in MaryCastle zu wohnen, wenn wir nicht an Bord des Schiffes sind. O Großvater." Sie schlang die Arme um seine Taille und drückte ihre Wange an die seine. "Denk doch nur an all die süßen Kinder, die wir dir schenken können."
"Ja." Er lächelte. "Eine neue Generation, die dem alten Newt auf die Nerven gehen kann und die arme alte Winnie in den Wahnsinn treibt."
Darcy fiel in das Lachen ein. "Es wird sie neu beleben, Großvater. Es wird uns alle beleben."
"In der Tat." Als der Wind heftiger wurde, zitterte der alte Mann. "Der Winter wird uns im Griff haben, bevor wir es ahnen. Komm, mein Mädchen. Lass uns hineingehen."
"Geh du nur, Großvater." Darcy zog sich das Tuch fest um die Schultern. "Ich bleibe noch ein wenig hier draußen. Ich habe das Gefühl, dass Grays Schiff heute einlaufen wird. Und ich möchte die Erste unten am Ufer sein, die ihn begrüßt."
"Ja, mein Mädchen." Sacht berührte er ihre Schulter, bevor er sich abkehrte. "Aber bleib nicht zu lange in der Kälte. Du willst doch nicht, dass Gray dich hier angefroren auf dem Söller findet."
"Mach dir keine Sorgen." Sie umfasste das Geländer und wandte sich der See zu. "Mein Herz wird genauso für ihn glühen wie bei seiner Abfahrt. In meiner Seele ist ein Feuer, das nur für ihn allein brennt."
"Unser Dinner wird bald kalt sein." Mistress Coffey, die Haushälterin der Lamberts, blickte sich verstimmt um. "Wo ist Darcy?"
Ambrosia fuhr fort, die Kerzen in der Mitte der Tafel anzuzünden. Sie war soeben von nebenan herübergekommen, wo sie und ihr Gemahl Riordan Spencer ihr neues Haus errichten ließen. "Ich habe sie den ganzen Nachmittag noch nicht gesehen."
"Wenn ich raten müsste", sagte ihr Großvater, "würde ich sagen, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher