Das Herz meines Feindes
Probleme die beiden miteina n der haben?«
Aber Dünn schüttelte nur den Kopf und verließ, nachdem er ihr noch einen letzten, durchdringenden Blick zugeworfen hatte, die Halle.
Lilliane hatte keine Zeit, über Dunns unbestimmte Warnung nachzudenken. Viel zu schnell wurde sie gerufen, um nach den vier Schweinen zu sehen, die auf den großen Feuern in der Küche brieten. Mittlerweile waren auch die ande ren Ladys aufg e standen, und kaum hatte sie damit begonnen, sie zu unterhalten, als auch die Männer von der Jagd zurückkehrten.
Sie schickte einen Diener hinaus, der alles vorb e reiten sollte, damit die Jäger sich waschen und umziehen konnten, dann suchte sie ihren Mann in der großen Halle auf. Corbett lachte über eine von Gavins Possen, als sie eintrat, aber ob wohl er der Gesel l schaft weiterhin aufmerksam lauschte, wusste sie, dass seine Augen ihr folgten.
»Die gute Lady Lilliane«, dröhnte Sir Roger, als er galant ihre Hand nahm. »Vielleicht könnt Ihr dieses Rätsel lösen. Euer Gatte schwört, dass ein wildes Geschöpf in den Wäl dern von Orrick umhergeht. Er veranlasste uns, einander Rückendeckung zu geben, falls wir von einem fremdartigen Tier angegriffen würden!«
»Ich habe nie behauptet, dass das Wesen Euch angreifen könnte«, widersprach Corbett. »Tatsächlich habe ich Euch wiederholt gesagt, dass es ziemlich scheu ist und vor seinen Verfolgern flüchtet.«
»Aber es war nichts zu sehen, was sich nicht auf jeder Lichtung tummelt: Wild, eine gelegentliche Hirschkuh, manchmal ein Eber. Ich behaupte, dass er einfach nur eine phantastische Geschichte zum Besten gegeben hat!«
»Aber ich habe diese flüchtige Kreatur doch mit eigenen Augen gesehen.« Er grinste, dann senkte er seinen Blick auf Lillianes verwirrtes Antlitz.
»Aber zweifellos hast du es niemals gefangen!« beschul digte ihn Charles und zog eine Grimasse.
Corbett zögerte, und in seinen Augen schien ein Funke zu glimmen, als er sie ansah. »Ich glaube, man kann es auch gar nicht fangen, zumindest nicht, wie man andere Wesen fan gen kann.«
Lilliane konnte nicht verhindern, dass sie errötete, als ihr klar wurde, auf welches wilde Wesen er sich bezog. Erleichtert bemerkte sie, dass keiner der anderen Corbetts Gedanken durchschaute. Unbedarft fuhren sie mit ihrer lärmenden Unterhaltung fort.
Als die Diener das Bier für die Gäste servierten, zog sie Corbett von den anderen fort. Sie wollte ihm von Hughes Ankunft berichten, aber es erwies sich, dass die raue Gesellschaft Corbetts Bruder bereits heruntergeholt hatte. Als Cor betts Arm unter ihrer Hand hart wurde, musste sie sich nicht umdrehen, um zu wissen, wen er gesehen hatte.
Wie sehr wünschte sie sich, dass die beiden Brüder ihren Streit beilegten. Aber als Lilliane an ihrem Gatten hochblick te, war es nicht so sehr Abneigung, sondern Bedauern, das sie in seinen Zügen las. Bedauern und ein Ausdruck, der an Schmerz grenzte.
Aber dann wurde dieser seltene Einblick in seine Gefühle wieder durch die Maske höflicher Begr ü ßung überdeckt.
»Willkommen, Hughe.« Corbett schritt auf seinen Bruder zu. Wenn Hughes breites Lächeln und sein freundschaftli cher Schlag auf den Rücken ihn überraschte, verbarg er das geschickt.
»Ich bin froh, dass ich diese Festlichkeiten auf Orrick mit dir und deiner lieblichen Frau teilen darf. Viel zu lange wur de dieses Tal von Misstrauen beherrscht. Nun können wir beide dafür sorgen, dass Windermere Fold vereinigt wird.«
Es hätte vollkommen sein können, eine wunderbare Wie dervere i nigung, dachte Lilliane, die in der Menge stand, wel che nun die beiden Brüder umgab. Doch sie konnte ihr Mis strauen Hughe gegenüber nicht überwinden; sie war sicher, dass er etwas im Schilde führte.
Auch Corbett verhielt sich verwirrend, denn auch er spiel te eine Komödie. Unwillkürlich kamen ihr Dunns Worte in den Sinn, die sie ermahnten, ausschließlich ihrem Gatten die Treue zu wahren. Steckte noch mehr dahinter, als ihr zu nächst klar gewesen war?
Sie kannte ihren Mann einfach nicht gut genug, um sich ein Bild zu machen. Er hielt seine Gefühle unter Verschluss. Früher einmal hatte sie ihn des Mordes an ihrem Vater für fähig gehalten. Lilliane betrac h tete ihn nachdenklich und spürte einen Stich des Zweifels. Wenn er an dem Tod ihres Vaters die Schuld trug, war er sicher auch in der Lage, den Tod seines Bruders zu planen. Sie wusste, dass der Besitz von Colchester und Orrick ihm ungeheure Macht in Nor d eng land verleihen
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