Das Herz Von Elowia
»Wozu soll ich es lernen? Du wirst mich doch so oder so töten. Du bist doch ein Wari, nicht wahr?«
Barrn warf seinen Umhang zurück und sein Gesicht spiegelte eine zahlreiche Palette von Gefühlen wieder. »Jeder hat nun mal seine Pflichten zu erfüllen.«
»Und deine ist es, mich zu töten?«
»Bis jetzt lebst du noch, oder?«, war seine zynische Gegenfrage. »Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, dich getötet zu haben.«
Lilith hatte ihren Mund schon geöffnet um etwas zu erwidern, als sich ihr Mund mit einer bitteren Flüssigkeit füllte. Angewidert und ziemlich erschrocken spuckte sie das Wasser wieder aus.
»Jetzt hast du die ganze Medizin auf dem Boden verteilt«, nörgelte der kleine, selbsternannte Heiler. Seine flinken Hände fischten nach der Schale, die Lilith vor Schreck weggestoßen hatte. Er hob das flache Gefäß auf. »Etwas ist noch drin. Du solltest es jetzt austrinken.«
Lilith hatte langsam das Gefühl, dass sich alle gegen sie verschworen hatten. Hatte sie denn gar keine Freunde: nicht einmal unter den Sklaven?
Der Junge hielt ihr das Gefäß mit einer auffordernden Geste hin, und als sie ihren Blick von der ekelhaften Masse losreißen konnte, war Barrn verschwunden.
Sie ärgerte sich, denn sie hätte ihm gern ihre Meinung gesagt, aber der dumme Junge war ihr dazwischen gekommen.
Lilith sah, wie Fayn dem Jungen verstohlen zulächelte. Es verletzte Lilith, das zu sehen, aber sie musste zugeben, dass die Taktik des Jungen aufgegangen war. Unwirsch drehte sie sich zu dem Sklaven um. »Du kleine Ratte ... du ...«, sie stockte. »Ähm, wie heißt du überhaupt?«
Der Junge griff nach ihrem Handgelenk und schien prüfend ihren Puls zu messen, bevor er ihr antwortete. »Ich war schon beleidigt und dachte du würdest mich gar nicht mehr nach meinem Namen fragen. Ich heiße Harukan Asmir Padpar. Und du bist eine Idiotin.«
»Idiotin?«, wiederholte Lilith.
Der Junge nickte eifrig, so als hätte sie ihn gerade in seiner Annahme bestätigt.
Lilith wollte sich auf den kleinen Sklaven stürzten, aber Fayn hielt sie kichernd zurück. »Komm, Kriegerin, spar dir deine Kräfte auf und benutze sie, um deinen Stein zu beherrschen.«
»Wie geht das denn nun?«, fragte Lilith patzig, immer noch von Harukans Worte gekränkt.
»Ein Juwel braucht Blut und Leid, um stark zu werden, wenn du es kontrollieren willst, fülle deine Gedanken mit schönen Erinnerungen und Gefühlen, dann nimmst du ihm etwas von seiner Macht.«
Schöne Erinnerungen, dachte Lilith bitter, waren in ihrem Leben wirklich Mangelware. Trotzdem versuchte sie es und plötzlich ließ das Zerren und Ziehen in ihrem Inneren nach.
Die Fee lächelte ihr aufmunternd zu und startete einen weiteren Heilungsversuch. Dieses Mal funktionierte es.
Erstaunt betrachtete Lilith, wie ihre Wundränder von dem ungesunden bläulich-violett zu einem zarten Rosa wechselten.
Sie bemerkte, wie sie dabei müde wurde. Die Heilung kostete sie viel Kraft. Schläfrig streckte sie ihre Glieder aus und betrachtete fasziniert, wie sich eine sehr große Wunde an ihrer Hand langsam verschloss.
Die Augen fielen ihr zu und sie sah gerade noch, wie Fayn eine Decke über ihren Körper ausbreitete.
Als sie ihre Augen aufschlug, war das Erste, was sie sah, der Rücken des Jungen, der neben ihr eingerollt schlief. Er lag ganz friedlich da und sein Brustkorb hob und senkte sich im Takt seiner regelmäßigen Atemzügen. Er drehte sich um und blinzelte sie verschlafen aus braunen Augen an. Sie lächelte ihn an und er lächelte zurück, aber plötzlich wurde Liliths Umgebung dunkel und das Bild des glücklichen Jungen verschwand. Dafür sah sie einen kleinen Jungen, Harukan sehr ähnlich, halbtot auf dem Boden liegen. Seine Haut war leichenblass und rotes Blut quoll aus seinem Mund hervor. Er röchelte.
Lilith prallte zurück, kreischte auf und die Vision verschwand. Sie keuchte und vergewisserte sich mit einem Seitenblick, dass sie wieder in dem Wagen und Harukan noch am Leben war.
»Was ist los?«, wollte der Junge wissen und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Du hast doch nicht vor, mit deinem Diamanten den Wagen niederzubrennen, oder?«
Er grinste sie von einem Ohr zum anderen frech an.
»Nein«, sagte Lilith matt, während sie zeitgleich beschloss, dem Jungen nichts von ihrer Halluzination zu erzählen, die sie gerade gehabt hatte.
»So? Bist du dir da sicher? Ich würde es gerne vorher wissen, damit ich hier noch rechtzeitig rauskomme, bevor du alles in Schutt und Asche
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