Das Herz Von Elowia
sämtliche Rottöne der Welt in sich vereinen.
»Kolkan, bitte hör auf«, flehte sie und riss an ihren Fesseln, die sich immer tiefer in ihr Fleisch gruben und ihre Haut aufschürften.
Kolkan schüttelte traurig den Kopf und legte beide Hände auf ihr Juwel. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf einen roten Sturm, den er zwischen seinen Händen entfachte und in Liliths Stein presste.
Lilith wurde in den Bilderstrom des sterbenden Diamanten gezogen. Dunkle Schatten huschten vor ihren Augen und verformten sich zu Gestalten, die in Kolkans Leben eine Rolle gespielt hatten. Sie hörte Kinderlachen. Das Leben von Kolkan zog an ihr vorbei und sie sah, wie er als Heranwachsender mit Barrn die Holzschwerter kreuzte. Wie er mit Hanak sein erstes Bier probierte und die erste Frau mit in sein Bett nahm. Sie sah aber auch den Spott, der aus den Augen seiner Mitstreiter sprach, wenn er mit den Kriegern ritt. Wie sie ihn schlugen und hänselten, sobald sein mächtiger Bruder ihnen den Rücken zuwandte. Sie sah, wie sie ihn im See untertauchten und johlten, als sein Juwel gegen die Kriegersteine kämpfen wollte, aber gnadenlos versagte und er pustend von den Juwelen der jungen Sucher ins Wasser gedrückt wurde. Sie sah den großen, breitschultrigen Jungen alleine in seinem Zimmer sitzen, die Arme auf die Knie gelegt und den Kopf darauf gelegt, wie er flüsterte: »Ich muss es nur akzeptieren, denn wenn ich den Schmerz akzeptiere, kann er mir nichts mehr anhaben. Es ist nicht schlimm ein Versager zu sein, solange man es akzeptiert und sich damit abfindet.« Der junge Kolkan stand auf und ballte seine Hand. »Ich bin kein Krieger. Ich werde nie ein Krieger sein. Alles, was ich bin, werde ich akzeptieren. Ich akzeptiere es. Ich akzeptiere es. Ich. Akzeptiere. Es.« Es klang verzweifelt und nicht wie ein ernstgemeinter Schwur, mehr wie eine Zuflucht, ein geringer Trost.
Der Bilderstrom wurde schwächer, die Konturen immer unschärfer. Schwärze hüllte sie ein, nur noch ein kleiner roter Punkt erhellte die Dunkelheit. Doch das rote Glühen erlosch immer weiter, bis es gänzlich verschwunden war.
Ein schwerer Körper lag auf ihrer Brust. Kolkan war vorne über gesunken und rührte sich nicht mehr. Sein Juwel lag in zwei Teile zersprungen neben ihn und war ohne jegliche Farbe.
»Kolkan«, schrie Lilith verzweifelt und versuchte sich aufzusetzen, aber der massige Körper des Kriegers drückte sie nieder. Sie stemmte ihre gefesselten Hände vom Boden ab und richtete sich ein wenig auf. Der Kopf des Toten rutschte von ihrer Brust, nur noch der Arm hielt sie umschlungen, als wolle er sie auch noch im Tod umklammert halten.
Sie konnte ihre Augen nicht von dem zersplitterten Stein reißen. Zeitgleich vermied sie es, ihr Juwel anzuschauen, was langsam wieder seine rote Farbe verlor, die es dem feindlichen Juwel - mit samt seiner Kraft - geraubt hatte. Sie schüttelte ihren Körper, aber der Arm blieb auf ihr liegen und klebte förmlich an ihr. Der Tod ließ sich nicht abschütteln, er haftete ihr an. Genau wie Kolkans Arm, hielt er sie in seiner frostigen Umarmung gefangen. Gerade als sie sich mit aller Anstrengung auf die Seite rollte, schwang die Tür ein zweites Mal auf und vor ihr stand Hanak.
Im ersten Moment herrschte eine Stille, die Lilith nie zuvor erlebt hatte, dann brach ein grausiges Heulen los. Wie ein verletztes Tier jaulte Hanak auf, als er den zersplitterten Diamanten seines Bruders sah. Er stürmte nach vorne und in blinder Wut trat er Lilith so heftig in die Seite, dass sie verbissen aufstöhnte.
Hanak fiel auf die Knie und hob mit bebenden Händen die Überreste von Kolkans Diamant auf und drückte sie an seine Brust.
»Du Hexe, du blutrünstige Hexe«, rasselte er mit schwerer Stimme und schlug ihr ins Gesicht. Weil er dabei noch den Stein von Kolkan in seinen Händen gehalten hatte, bildete sich eine tiefe Schnittwunde quer über ihrer Wange. Das Blut vermischte sich mit ihren Tränen. »Ich wollte das nicht. Ich wollte ihn aufhalten. Ich wollte nicht, dass Kolkan stirbt.«
»Du Lügnerin«, brüllte Hanak und sprang auf und riss sie mit sich hoch. Sein Juwel funkelte auf und schwarze Wellen pressten ihre Glieder zusammen. Ihre Schultern krümmten sich unter dem Druck und sie schrie vor Schmerzen auf. »Du wirst sterben, jetzt, sofort. Und du wirst leiden.«
In Liliths Ohren schrillte und piepte es, als die dunkle Macht seines Steines ihren Kopf erfasste. Rasende Kopfschmerzen ließen ihre Umgebung vor ihren
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