Das Herz Von Elowia
zu sammeln, als das Tier plötzlich mit einem Ruck stehen blieb.
Beinahe wäre sie vom Rücken ihres Tieres gestürzt, aber ihr gelang es irgendwie, sich festzuhalten. In einiger Entfernung konnte sie erkennen, was das Tier zum Stehen gebracht hatte: Dort waren andere Kenjas.
Bevor sie auch nur die Zügel ergreifen konnte, rannte das Kenja quietschend auf die fremde Herde zu.
Lilith versuchte verzweifelt, es zu stoppen, doch es gelang ihr nicht, so blieb ihr nichts anderes übrig, als sich wenigstens auf dem Rücken des Tieres zu halten.
Mit wachsendem Entsetzten sah sie, dass es keineswegs wilde Kenjas waren, sondern dass sie geradewegs auf eine Karawane zusteuerten.
Man hatte sie inzwischen auch bemerkt, denn zwei Reiter lösten sich aus der Gruppe und hielten auf sie zu. Sie verfluchte innerlich das dumme Kenja, denn jetzt gab es keinen Ausweg mehr. Die Reiter kamen in einem rasanten Tempo näher.
Es handelte sich um zwei bewaffnete Männer und Lilith versuchte vergebens, herauszufinden, ob es sich um Sklavenhändler oder Räuber handelte.
Die Reiter zügelten ihre Kenjas und Lilith erkannte, dass sie sich getäuscht hatte: Es waren nicht zwei Männer, sondern eine junge Frau und ein junger Mann. Er trug eine leichte Kampfrüstung aus weichem Leder und einen dunkelroten Mantel. Um seinen Hals baumelte ein Amulett, worin ein eisblauer Diamant eingelassen war. Seine Aura strahlte die türkise Kälte seines Kampfseins aus.
Seine braunen Augen musterten Lilith mit unverhohlener Neugierde, aber auch mit größtem Misstrauen.
Mit dem Schwert auf seinem Schenkel näherte er sich Lilith. »Wer bist du? Was machst du hier?«, herrschte er sie auffordern an. Anscheinend war er es gewohnt, dass man ihm gehorchte, denn als Lilith nicht gleich antwortete, hob er drohend sein Schwert. Der zweite Reiter, eine stämmige Frau, ebenfalls in Kampfmontur, hatte ihr Reittier seitlich neben Lilith zum Stehen gebracht.
Lilith überlegte, wer die Reiter wohl waren, denn das bestimmte, was sie ihnen erzählen konnte und was sie lieber verschwieg.
Sie zuckte mit den Schultern und erzählte ihnen eine Geschichte, die der Wahrheit am nächsten kam. »Ich wurde von Wüstenräubern überfallen, konnte ihnen aber entkommen.«
Der Junge runzelte seine Stirn. »Du warst alleine unterwegs?«
Lilith wollte erst mit dem Kopf nicken, bis ihr einfiel, dass das wohl sehr unglaubwürdig geklungen hätte. Deshalb schüttelte sie den Kopf. »Nein, auf der Flucht habe ich die anderen verloren.«
Der junge Reiter stierte sie einen Augenblick noch misstrauisch an, bis er ihr zunickte. »Folge uns, wir werden im Zelt weiter reden«, und mit einem Seitenblick fügte hinzu: »Falls du uns angelogen hast, werden wir das herausfinden.«
Er griff nach den Zügeln von Liliths Tier und sie wurde das Gefühl nicht los, wieder eine Gefangene zu sein, bis sie ihn vom Gegenteil überzeugen konnte. Das Mädchen, das seine Schwester hätte sein können, lenkte ihr Kenja hinter Lilith, um ihr notfalls den Fluchtweg abscheiden zu können.
Sie erreichten relativ zügig das Lager der Karawane. Der junge Mann stieg von seinem Kenja und hielt Lilith auffordernd die Hand entgegen. Sie nahm sie, wenn auch zögerlich, entgegen und ließ sich von dem Kenja helfen.
Er führte sie in ein großes Zelt, in dem eine kleine Gruppe von jungen Männern und Frauen verschiedenen Alters saßen. Nur wenige von ihnen hatten starke Auren. Die meisten waren erst auf der zweiten oder dritten Stufe, was Lilith aber nicht weiter verwunderte, denn es waren alles noch junge Erwachsene.
Er bedeutete ihr Platz zu nehmen und sie setzte sich neben eines der älteren Mädchen.
Ein Raunen ging durch den Raum und alle Augen waren auf sie gerichtet. Lilith wurde bewusst, was für ein erbärmliches Bild sie abgegeben musste. Aber ihr war es ganz recht, so würde man ihr wenigstens die Geschichte der Wüstenräuber abkaufen.
Der Junge, der anscheinend der Anführer der Gruppe war, baute sich vor Lilith auf. »Ich bin Jolan und dein Name ist?«
»Lilith.«
»Gut, Lilith, also wie konntest du den Räubern entkommen und woher stammst du?«
Lilith fing an, zu erzählen. » Wir waren auf dem Weg zum nächsten Dorf, da sind sie über uns hergefallen.«
»Zu welchem Dorf?«, wollte Jolan wissen.
Lilith stutzte, ihr fiel beim besten Willen kein Name ein, den sie nennen konnte.
Gespannte Stille legte sich über die Gruppe.
»Sie lügt doch«, ertönte eine weibliche Stimme.
Jolan hob die Hand. »Ruhe. Bitte. Lasst uns
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