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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Mondlosen Grund hinaus, in die oberflächennäheren Gänge, die die Soldaten des Autarchen bereits erobert hatten. Die Entsetzensschreie der Verstärkungstrupps, die offenbar bereits durch diese Gänge kamen und es jetzt mit der unkontrollierten, verstörten Kreatur zu tun hatten, machten den Wallverteidigern neuen Mut. Vansen führte einen Ausfall über den Wall an, und wenn dabei auch mehrere Männer getötet wurden, machten die übrigen doch kurzen Prozess mit denjenigen Xixiern, die sich nicht ergeben wollten, erst recht aber zögerten, in die Scheren ihres eigenen Monsters zu flüchten.
    »Das sind jetzt mindestens ein halbes Dutzend, die wir erledigt haben«, sagte Dolomit, als er und die übrigen Kämpfer, Vansen eingeschlossen, Steine aufschichteten, um den Wall zu vollenden, solange die Xixier sich zurückzogen. »Was glaubt Ihr, wie viele sie noch haben?«
    »Nicht viel mehr als hundert«, sagte Rabenvogel mit einem grimmigen Grinsen. Seine eigenen Leute halfen bereitwillig mit, obwohl manche von ihnen nicht gerade für Schanzarbeiten geschaffen schienen. Vansen konnte inzwischen schon fast vergessen, dass einige wie Frösche oder Füchse aussahen und andere sogar noch bizarrer. Allmählich wurden sie alle Brüder, eine Erfahrung, die ihm nicht neu war: Nichts hatte eine so gleichmachende Wirkung, wie gemeinsam dem Tod ins Auge zu blicken. Vielleicht konnten sie ja mit Hilfe dieser Qar den Xixiern doch so lange standhalten, bis Mittsommer vorbei war.
    »Wir werden einen nach dem anderen erledigen«, sagte Vansen. »Bis wir das Schießpulver haben, um sie alle direkt vor Kernios' Tor zu pusten.«
    Rabenvogel lachte. »Ihr seid witzig, Sterblicher. Wisst Ihr denn nicht, wo Ihr seid?«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Wir sind schon an Kernios' Tor, Hauptmann. Das ist es doch, was sie hier belagern — was wir verteidigen? Unser Feind will den Palast des Kernios erobern? Wir sind die Garde des Todes selbst.«
    Zunächst wusste Vansen nicht, was er meinte, dann dämmerte es ihm. Schließlich brachte er seinerseits ein grimmiges Lachen zustande. »Nun denn, Freund Rabenvogel, dann werden wir genau das tun — die Tore der Stadt des Todes verteidigen, bis wir selbst hineingebeten werden.«
    Es war fast schon erleichternd, um die Vergeblichkeit ihres Tuns zu wissen. Vansen schüttelte den Kopf und machte sich wieder an die Arbeit.

    Als sie wieder in ihrem Zimmer waren, setzte Flint sich hin, um seine seltsamen, stillen Flint-Gedanken zu denken, und Chert beeilte sich, seine Notizen in Markierungen auf den Karten umzusetzen, ehe er vergessen hatte, was sie bedeuteten. Der ganze Schlund musste eingezeichnet werden, und ein Gutteil des Labyrinths jenseits der Fünf Bögen bedurfte ebenfalls der Überarbeitung. Während Chert zeichnete, gingen ihm immer wieder Sachen durch den Kopf, die Flint gesagt hatte. Sie beunruhigten ihn, ohne dass er genau sagen konnte, warum.
    Als er gerade mit den Nachträgen fertig war und sich anderen Aufgaben zuwenden wollte, kam ihm plötzlich eine Idee — eine seltsame, phantastische, völlig verrückte Idee.
    Eine ganze Weile saß er einfach nur atemlos da, selbst nicht sicher, ob an seinem Einfall irgendwas dran war. Opalia kam von ihren Betätigungen zurück und hatte tausend Dinge zu erzählen — was im Tempel vor sich ging und was sie gemacht hatte —, aber Chert hörte es kaum. Er tat sein Bestes, an den richtigen Stellen zu lächeln und die richtigen Sachen zu sagen, war aber in Gedanken ganz bei seiner Idee.
    Es war eindeutig
nicht
die Sorte Idee, die er mit Opalia erörtern konnte, so sehr er ihren Rat auch schätzte. Es war schrecklich gefährlich, und sie hatte ihm ja praktisch erklärt, wenn er noch einmal wegginge und sich auf irgendwelche riskanten Sachen einließe, wo sie doch einen Jungen hätten, der ihn als Vater brauchte, wäre es das letzte Mal, dass sie unter seinem Steindach schlafe. Und da Chert ja nicht wusste, ob Vansen und die Zunft einer so irrwitzigen Idee auch nur Gehör schenken, geschweige denn zustimmen würden, hatte er nicht vor, jetzt schon mit seiner Frau eine Auseinandersetzung darüber zu führen (noch dazu eine Auseinandersetzung, die für ihn mit einer bösen Niederlage enden würde).
    Er wollte nicht noch mehr Zeit vergeuden, die er dringend für seine Karten brauchte, aber er wollte auch nicht zu lange damit warten, seinen kühnen Plan Vansen, Zinnober und den Übrigen zu unterbreiten. Nach dem Ruf zum Abendgebet wartete Chert ungeduldig, bis

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