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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hätten. Diese alten Gänge sind garantiert voller Einsturzstellen. Nein, wir müssen uns zurückziehen und versuchen, sie am Ockerschlauch aufzuhalten.« Zinnober seufzte und trank dann in einem langen Zug von seinem Moosbräu.
    Vansen tat es ihm nach. Das Getränk würde nie ein vollwertiger Ersatz für richtiges Bier sein, dachte er, oder auch nur für den sauren Honigwein, den sein Vater so gern gemacht hatte — das Funderlingsbier schmeckte für seinen Gaumen zu sehr nach nasser Erde —, aber er hatte in seinem Leben schon Schlimmeres getrunken, zumindest nach Aussage der Männer, die ihn danach in die Wachstube zurückgetragen hatten. »Gut, ich überlasse es Euch, das Kupfer zu erklären.«
    Er blickte zum anderen Ende des Unterstands, wo Rabenvogel, einer der Qar-Führer, die Errichtung eines Walls in der Mitte der Höhlenkammer durch einen Funderlingsarbeitstrupp beaufsichtigte. Vansen wünschte, ihnen blieben noch ein paar Vorbereitungstage — mit genügend Zeit könnten die geschickten Funderlinge selbst den breiten Mondlosen Grund nahezu hermetisch abriegeln —, aber das stand nicht zu erwarten. »Was sind denn die letzten Nachrichten von Kupfer und Jaspis?«
    »Sie halten immer noch die untere Hälfte des Höhlensystems, aber man kann es nicht anders nennen als einen langsamen Rückzug. Jaspis sagt, sie haben schlimme Verluste. Mögen die Alten der Erde uns verzeihen — die meisten seiner Soldaten sind noch halbe Kinder ...«
    »Ja — mögen die Drei sie erheben.« Vansen schlug ein Zeichen auf der Brust, und sein Gesicht verhärtete sich zu einem Ausdruck des Schmerzes, aber er bemühte sich gleich wieder um eine neutrale Miene. »Und was gibt es sonst noch Neues? Irgendeine Nachricht von meinem oberirdischen Herrn Avin Brone?«
    »Nichts. Und wir finden auch keine Möglichkeit mehr, ihm Botschaften zukommen zu lassen. Wir haben mehrmals versucht, jemanden durchs Haupttor zu schmuggeln, aber die Großwüchsigenwachen lassen es nicht zu — sie sagen, jeder Funderling, der in die Burg hinaufwill, braucht eine Genehmigung von Reichshüter Tolly persönlich. Und die unbekannteren Wege führen entweder ans Festland und zum Autarchen, so wie Sturmsteins Große Unterwasserstraße, oder sind von Soldaten des Protektors bewacht wie der Gang zum Keller von Chavens ehemaligem Haus. Wohin wir auch gehen, wartet der Feind schon wie eine hungrige Katze vor einem Mauseloch.«
    Vansen verzog das Gesicht. Es widerte ihn immer noch an, wenn Hendon Tolly als irgendwessen »Protektor« bezeichnet wurde: Jeder in der königlichen Garde wusste um die Interessen und Praktiken des jüngsten Tolly-Bruders. »Geht nicht das Risiko ein, jemanden durchs Haupttor zu schicken«, sagte Vansen. »Tolly ist ein Ungeheuer, aber ein gerissenes. Er würde aus jedem Boten binnen kurzem all unsere Geheimnisse herausholen, selbst aus Euch oder mir.«
    »Dann müssen wir Euren Brone und alles, was er uns an Hilfe schicken könnte, abschreiben, für den Augenblick zumindest. Außerdem haben er und der Rest Eures Volkes sowieso schon genug auszuhalten — der Autarch beschießt sie Tag und Nacht. Es gibt Nächte, da höre ich bis hier unten die Kanonenkugeln gegen die Mauern krachen, durch Tonnen und Abertonnen von Stein.« Zinnober stippte den kurzen, dicken Zeigefinger in verschüttetes Moosbräu und malte ein paar dunkle Kringel an die Höhlenwand. »Also müssen wir einen weiteren Rückzug in die Wege leiten. Tut mir aufrichtig leid, Hauptmann Vansen. Wir haben viel von Euch verlangt und Euch wenig gegeben, womit Ihr es vollbringen könntet.«
    »Ihr habt mir alles gegeben, was ihr habt. Mehr könnte niemand tun.«
    Zinnober lächelte — vielleicht das müdeste und matteste Lächeln, das Vansen je im Gesicht des fröhlichen Ratsherrn gesehen hatte. »Stimmt, mein Freund, mehr kann niemand tun.«
    Kurz nachdem Vansen Zinnober zum Tempel zurückgeschickt hatte, unternahmen die Truppen des Autarchen einen weiteren Versuch, die Verteidiger aus dem Mondlosen Grund zu vertreiben. Der Angriff kam jäh und schnell. Eins der schrecklichen Skorpa-Monster schob sich mit Wucht über die improvisierte Barrikade, die die Funderlinge errichtet hatten, und scheuchte die dahinter postierten Wachen auseinander wie Käfer. Bis Vansens Männer einen Speerwall gebildet und die Kreatur aufgehalten hatten, ergoss sich bereits eine Schar xixischer Musketiere aus einem Seitengang in die geräumige Höhle. Binnen Augenblicken hatten die Xixier ihre Musketen

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