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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gekleidet, mit einem schicken Hut und auf der Brust einer winzigen Goldkette, die einmal Teil eines Kinderarmbands gewesen sein mochte, an ihm aber so mächtig und schwer hing wie die Reichskette eines Königs. Barrick musste sich zusammennehmen, um sich nicht zu bücken und das Männchen hochzuheben, um es genauer zu betrachten.
    »Herzog Ketelhut, wenn Ihr gestattet«, sagte der Wicht mit einer Stimme, kaum lauter als das Piepsen einer Maus, »gewähltes Oberhaupt der ehrenwerten Dielenbrettversammlung von Neudachland und Onkel der Königin Altania (welche Euch vielleicht bekannt ist, möge ihre Erhabenheit für immer außer Zweifel stehen), und ich und mein Volk, das Ihr hier aufs wackerste vor Euch versammelt seht, heißen Euch willkommen, hochherrschaftliche Herren und Herrinnen ...«
    Ein spitzbärtiger kleiner Mann, der neben ihm stand und nur unwesentlich weniger vornehm gekleidet schien, stieß Ketelhut mit dem Ellbogen an.
    »Ah ja, natürlich.« Ketelhut sammelte einen Moment seine Gedanken. »Und es ist uns eine Freude, Euch wieder in unserem Land begrüßen zu dürfen, Königin Saqri. Es ist lange her.«
    »Seit dem Krieg oder beinah.« Saqri nickte ernst, als spräche sie nicht mit einem Männchen, das kleiner war als eine Maus. »Vielmals haben die Winde seither geweht. Ich wünschte, bessere Tage hätten uns zusammengeführt.«
    Ketelhut schien erfreut, wenn auch immer noch etwas vage. »Ihr seid zu gütig, Majestät, zu gütig. Unser Anliegen ist es, mit Euch über ungemein wichtige Dinge zu sprechen — ach, was sage ich, ganz und gar unglaublich wichtige Dinge! Wie Ihr wisst, hegen wir, trotz der Differenzen innerhalb unserer einstigen Allianz, von jeher den größten und unverbrüchlichsten Respekt gegenüber den Alten, unseren Vettern, Euren ...« Der Spitzbart stieß ihn erneut in die Rippen. »Ah, ja. Verzeihung. Wir möchten, wenn es gestattet ist, über die zukünftige wechselseitige Gesinnung unserer beiden Völker sprechen — wenn Ihr versteht, was ich meine ...?«
    Saqri nickte auf ihre anmutige, aber zugleich abrupte, vogelhafte Art. »Ich verstehe Euch wohl. Und ich sage Euch in aller Wahrhaftigkeit, dass, so unsere Völker das Kommende überleben, auch nicht der kleinste Schatten zwischen uns sein wird. Ich spreche aus dem Herzen und für das gesamte Haus des Volkes.«
    Einige der kleinen Leutchen brachen auf dieses Gelöbnis hin in Jubel aus, während andere, soweit Barrick erkennen konnte, weinten und sich die Nase schneuzten oder erregt flüsterten. Die Stimmen der Feuerblume, offenbar durch Ynnirs Gegenwart gedämpft, gaben ihm ahnungshafte Einblicke in das jahrhundertelange Zerwürfnis, das vielleicht hier und heute enden würde.
    Sind wir deshalb hier?,
fragte er sich.
War es nicht einfach nur das nächstgelegene Ufer?
Bei Saqri war so etwas genauso schwer zu sagen wie zuvor bei Ynnir: Bei beiden ging das Reale und Handfeste fließend ins Ungreifbare über. Die Qar auch nur in alltäglichsten Situationen zu beobachten, war, als versuchte man eine Unterhaltung in einer fremden Sprache zu verstehen.
    »Nun denn, ich bin sicher, ich spreche im Namen der Dielenbrettversammlung«, verkündete Herzog Ketelhut nach kurzer Beratung mit dem Spitzbart, »wenn ich sage, dass wir überaus glücklich wären, den Schatten dieser Entzweiung getilgt zu sehen. Ungemein überaus glücklich. Aber jetzt muss ich es meinem Sekretär, Baron Pindrop, überlassen, Euch Dinge zu erklären, die Euch vielleicht, bei allem Respekt vor Eurer Unfehlbarkeit, Herrin, nicht bekannt sind.« Er trat einen Schritt zurück, und das schlanke, spitzbärtige Männlein trat vor.
    »Seht, was hier geschrieben steht«, sagte Pindrop und hielt ein Stück Pergament hoch, das in seinen Händen wirkte wie ein Fensterrollladen. »Sämtliche Worte, die zwischen Sulepis Autarch und Tolly, Protektor von Südmark, gesprochen wurden, als sie sich hier erst vor wenigen Stunden trafen.«
    »Was?« Barrick glaubte, den kleinen Mann falsch verstanden zu haben. »Hier? Der Autarch? Mit einem Tolly?«
    Saqri nahm das Blatt und las es. Ihr Gesicht war dabei statuenhafter denn je.
    »Wir haben alles gehört, was er zu sagen hatte«, hob Herzog Ketelhut an. »Wir haben es aufs gewissenhafteste und in Schönschrift niedergeschrieben, um gewährleisten zu können, dass Ihr, Majestät ...«
    Der kleine Baron Pindrop fiel seinem Herzog ins Wort. »Es besteht ernste Gefahr!«
    »Wann?«, wollte Barrick wissen. »Wann war der Autarch

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