Das Herz
war.
Nein, kein Fremder, merkte Chert einen Herzschlag später, er kannte dieses schmale, seltsame Gesicht, den abwesenden Blick, ja selbst das Haar, das aussah wie mit einem stumpfen Feuerstein gestutzt. Mehr noch, er erinnerte sich an jeden einzelnen schrecklichen Augenblick, den sie zusammen verbracht hatten, einschließlich ihrer Verurteilung zum Tode durch diese Dämonin namens Yasammez. Er verstand nur nicht, warum der Mann noch am Leben war.
»Gil«, sagte er. »Euer Name ist Gil.«
»Ja, einst war ich Gil. Davor war ich Kayyin. Jetzt bin ich wieder Kayyin.«
»Kennt Ihr mich noch? Ich bin Chert Blauquarz, und das ist mein Sohn Flint. Ihr und ich, wir waren gemeinsam bei der dunklen Fürstin — Yasammez. Um ehrlich zu sein, ich habe nicht damit gerechnet, Euch je wiederzusehen — ich war mir sicher, dass sie Euch töten würde.«
»Das wird sie vielleicht auch noch tun. An manchen Tagen erscheint es ihr eine bessere Idee als an anderen.« Er zuckte die Achseln, und die fließende Anmut der Qar, mit der es tat, wirkte bei einem so menschlich aussehenden Wesen merkwürdig. »So ist das nun mal in Familien.«
Es dauerte einen Moment, bis das bei Chert ankam. »Moment mal — Familien? Ihr seid mit der dunklen Fürstin verwandt?«
Kayyin nickte. »Sie ist meine Mutter. Eine Zeitlang war mir das entfallen.«
Chert wusste nicht, was er sagen sollte. »Tja, also ... freut mich, Euch zu sehen, Gil.
Kayyin.«
Er schüttelte den Kopf. »Wie seltsam, Euch einfach so zu treffen, mitten im Nirgendwo? Was führt Euch hier heraus?«
»Ach, ich mache oft weite Spaziergänge«, sagte Kayyin. »Und es ist lange her, dass ich unsere alten heiligen Stätten im Midlanfels zuletzt gesehen habe.«
»Ihr müsst mitkommen und im Tempel mit mir ein Bier trinken. Wir beschaffen uns ein Fässchen von Bruder Bierbrauers Bestem, und dann erzählt Ihr mir, was seit damals passiert ist ...«
Kayyin schüttelte den Kopf »Tut mir leid, Freund Chert — vielleicht ein andermal. Jetzt habe ich zu tun.«
»Natürlich«, sagte Chert. »Dann ein andermal.«
Als sie auf die Große Unterwasserstraße gelangten, wandte sich Kayyin in die Gegenrichtung zu Cherts Rückweg. »Lebt wohl, Chert Blauquarz. Ich hoffe, eines Tages werden wir dieses Bier zusammen trinken.«
»Ich kann nicht so tun, als würde mich noch irgendetwas überraschen«, sagte Chert zu Flint, als sie dem Zwielichtler nachblickten. »Los, Junge, wir haben uns viel zu lange da draußen herumgetrieben. Gehen wir. Opalia wird mit Sicherheit zum Abendessen zurück sein und mir das Fell über die Ohren ziehen, wenn wir es nicht sind. Und wenn sie dahinterkommt, dass ich dich mit nach draußen genommen habe, wird sie mir das Fell wieder annähen, nur um es mir noch mal über die Ohren zu ziehen, also sollten wir uns besser beeilen.« Aber der Gedanke, den Chert nicht verscheuchen konnte, hatte nichts mit Opalia zu tun. Er fragte sich immer wieder, was genau Kayyin hier draußen wollte, an diesem abgelegenen Ort. Konnte es wirklich Zufall gewesen sein? Wenn ganz in der Nähe dieser Kamin — der Schlund, wie Chert ihn inzwischen bei sich nannte — bis in die Mysterien hinabführte, just an den Ort, um den es momentan allen ging, den Funderlingen, den Qar und selbst diesem Südländerkönig, dem Autarchen?
Zufall? Wirklich?
»Was haltet Ihr von Kupfers Idee?«, fragte Vansen, während er und Zinnober in der flachen Felswandhöhlung, die als Feldbefehlsstand genügen musste, das Brot brachen. Der Ratsherr hatte den ganzen Weg hier heraus zum Mondlosen Grund gemacht, wo Ferras Vansen mit ein paar hundert Funderlingen und Qar die Truppen des Autarchen schon seit drei Tagen aufhielt. Vansen jedoch war es gar nicht recht, Zinnober längere Zeit hier zu haben. Der Ort war zu gefährlich und Zinnober zu wichtig. Die Zunft, dachte Vansen, hatte viel Verstand bewiesen, indem sie Zinnober so weitreichende Macht übertragen hatte — das Oberhaupt der Quecksilbersippe war einer jener seltenen Politiker, deren Fähigkeiten es leichter machten, unangenehme, aber wichtige Dinge zu erledigen.
»Seinem Plan, Männer in den Rücken der xixischen Vorhut zu schleusen?« Zinnober schüttelte den Kopf »Keine Chance. Ihr habt doch dieselben Berichte gehört wie ich — Kupfer und Jaspis haben bereits die Hälfte des Höhlensystems aufgeben müssen. Sie können es niemals so lange halten, bis wir Verstärkung dorthin schaffen könnten, geschweige denn bis wir uns um die Xixier herumgegraben
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